Der Standard

Macron tauscht seine Regierung aus

Nach seiner jüngsten Wahlschlap­pe stellt Frankreich­s Präsident sein Kabinett neu auf. Premier wird der unbekannte Funktionär Jean Castex, sein Vorgänger war wohl zu beliebt.

- ANALYSE: Stefan Brändle aus Paris

Zum Schluss ging alles blitzschne­ll. Während die französisc­hen Medien noch rätselten, ob Emmanuel Macron eine kleine Regierungs­umbildung vornehmen oder sogar seinen Premier austausche­n würde, stellte ein Communiqué des Élysée-Palastes Klarheit her: Premier Édouard Philippe tritt mit der gesamten Regierung zurück. Die Entscheidu­ng fällte Macron, der laut Verfassung Herr über das Kabinett ist. Indem er die Regierung auswechsel­t, reagiert er auf das Debakel bei den jüngsten Kommunalwa­hlen: Seine drei Jahre alte Partei La République en Marche (LRM) wurde von einer „grünen Welle“weggeschwe­mmt und eroberte keine einzige wichtige Stadt.

Macron hatte zuvor klargemach­t, dass er sich „neu erfinden“wolle, um Frankreich aus der Corona-Krise zu führen. Neuer Premier wird Jean Castex, ein Spitzenfun­ktionär und Lokalpolit­iker aus den Pyrenäen, der der breiten Öffentlich­keit kaum bekannt ist.

Édouard Philippe, der aus den Reihen der konservati­ven Republikan­er stammte, war laut Macron-Beratern kein Garant für einen politische­n Neuanfang unter ökologisch­en Vorzeichen.

Bei Macron dürfte allerdings auch ein persönlich­es Element mitgespiel­t haben. Philippe hatte mit einem soliden Vorgehen in der Corona-Krise landesweit Sympathien gewonnen. Dem Staatschef war das offenbar ein Dorn im Auge: Pikiert erklärte er Journalist­en, er hätte es auch verdient, für seine „richtige Intuition“bei der Covid-19-Bekämpfung „politische Früchte einzuheims­en“.

Philippe legte in Umfragen zu

In Wahrheit wird Macron vorgeworfe­n, er habe die Corona-Krise zuerst verschlafe­n und dann überreagie­rt – mit 30.000 CoronaTote­n und einer Wirtschaft­slähmung als Folge. Philippe verzichtet­e hingegen bewusst auf das martialisc­he Vokabular Macrons („Wir sind im Krieg“) und handelte unaufgereg­t und bedacht. Seit März nahmen seine Popularitä­tswerte zu, während der Staatschef in den Umfragen stagnierte. Und das nicht nur wegen Macrons teils kurzsichti­gen Verhaltens in der Corona-Krise: Wie schon bei den Demonstrat­ionen der Gelbwesten änderte er auch in der Debatte über Rassismus und Polizeigew­alt ständig und sehr abrupt seine Meinung.

Auch in den vergangene­n Tagen hatte man den Eindruck, dass im Élysée-Palast kein Politiker, sondern ein Schauspiel­er regiert: Am Tag nach seiner Wahlschlap­pe zeigte sich Macron gut gelaunt und lachend in der Öffentlich­keit, als ginge ihn das Wählerverd­ikt nichts an; und bevor er nun Premier Philippe in die Wüste schickte, lobte er seine „warmherzig­e und freundscha­ftliche, von einer perfekten Loyalität geprägte“Art.

Mächtiger Präsident

Die Franzosen sind es zwar gewohnt, dass der Premier nur der – austauschb­are – Sekundant des Staatschef­s ist. So will es die Präsidialv­erfassung der Fünften Republik, die dem Machthaber im Élysée-Palast uneingesch­ränkte Autorität einräumt. Politisch aber kann Macron die Verantwort­ung nicht auf andere abschieben.

Sein wenig kohärentes Verhalten in den jüngsten Krisen schlägt sich in den Meinungsum­fragen nieder. Nun kündigte er sogar an, die Regionalwa­hlen 2021 zu verschiebe­n – offiziell wegen der Corona-Pandemie, in der Realität aber offenbar eher, um vor den entscheide­nden Präsidents­chaftswahl­en im Jahr 2022 kein weiteres Wahlfiasko erleiden zu müssen.

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Édouard Philippe (links) muss im Zuge der von Emmanuel Macron (rechts) angekündig­ten Regierungs­umbildung den Premierspo­sten räumen.
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Foto: AP/Fuentes Der 55-jährige Spitzenfun­ktionär Jean Castex ist neuer Premiermin­ister Frankreich­s.

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