Macron tauscht seine Regierung aus
Nach seiner jüngsten Wahlschlappe stellt Frankreichs Präsident sein Kabinett neu auf. Premier wird der unbekannte Funktionär Jean Castex, sein Vorgänger war wohl zu beliebt.
Zum Schluss ging alles blitzschnell. Während die französischen Medien noch rätselten, ob Emmanuel Macron eine kleine Regierungsumbildung vornehmen oder sogar seinen Premier austauschen würde, stellte ein Communiqué des Élysée-Palastes Klarheit her: Premier Édouard Philippe tritt mit der gesamten Regierung zurück. Die Entscheidung fällte Macron, der laut Verfassung Herr über das Kabinett ist. Indem er die Regierung auswechselt, reagiert er auf das Debakel bei den jüngsten Kommunalwahlen: Seine drei Jahre alte Partei La République en Marche (LRM) wurde von einer „grünen Welle“weggeschwemmt und eroberte keine einzige wichtige Stadt.
Macron hatte zuvor klargemacht, dass er sich „neu erfinden“wolle, um Frankreich aus der Corona-Krise zu führen. Neuer Premier wird Jean Castex, ein Spitzenfunktionär und Lokalpolitiker aus den Pyrenäen, der der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist.
Édouard Philippe, der aus den Reihen der konservativen Republikaner stammte, war laut Macron-Beratern kein Garant für einen politischen Neuanfang unter ökologischen Vorzeichen.
Bei Macron dürfte allerdings auch ein persönliches Element mitgespielt haben. Philippe hatte mit einem soliden Vorgehen in der Corona-Krise landesweit Sympathien gewonnen. Dem Staatschef war das offenbar ein Dorn im Auge: Pikiert erklärte er Journalisten, er hätte es auch verdient, für seine „richtige Intuition“bei der Covid-19-Bekämpfung „politische Früchte einzuheimsen“.
Philippe legte in Umfragen zu
In Wahrheit wird Macron vorgeworfen, er habe die Corona-Krise zuerst verschlafen und dann überreagiert – mit 30.000 CoronaToten und einer Wirtschaftslähmung als Folge. Philippe verzichtete hingegen bewusst auf das martialische Vokabular Macrons („Wir sind im Krieg“) und handelte unaufgeregt und bedacht. Seit März nahmen seine Popularitätswerte zu, während der Staatschef in den Umfragen stagnierte. Und das nicht nur wegen Macrons teils kurzsichtigen Verhaltens in der Corona-Krise: Wie schon bei den Demonstrationen der Gelbwesten änderte er auch in der Debatte über Rassismus und Polizeigewalt ständig und sehr abrupt seine Meinung.
Auch in den vergangenen Tagen hatte man den Eindruck, dass im Élysée-Palast kein Politiker, sondern ein Schauspieler regiert: Am Tag nach seiner Wahlschlappe zeigte sich Macron gut gelaunt und lachend in der Öffentlichkeit, als ginge ihn das Wählerverdikt nichts an; und bevor er nun Premier Philippe in die Wüste schickte, lobte er seine „warmherzige und freundschaftliche, von einer perfekten Loyalität geprägte“Art.
Mächtiger Präsident
Die Franzosen sind es zwar gewohnt, dass der Premier nur der – austauschbare – Sekundant des Staatschefs ist. So will es die Präsidialverfassung der Fünften Republik, die dem Machthaber im Élysée-Palast uneingeschränkte Autorität einräumt. Politisch aber kann Macron die Verantwortung nicht auf andere abschieben.
Sein wenig kohärentes Verhalten in den jüngsten Krisen schlägt sich in den Meinungsumfragen nieder. Nun kündigte er sogar an, die Regionalwahlen 2021 zu verschieben – offiziell wegen der Corona-Pandemie, in der Realität aber offenbar eher, um vor den entscheidenden Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022 kein weiteres Wahlfiasko erleiden zu müssen.