Der Standard

Regenbogen­parade am Fenster statt am Ring

Bei der Aktion soll Sichtbarke­it auf Balkonen und an Fenstern gezeigt werden

- Oona Kroisleitn­er

Wien – Das Verwaltung­sgericht Wien (VGW) hat der Beschwerde eines Mannes stattgegeb­en, der während des Corona-Lockdowns einen anderen Mann besucht hatte. Am 21. März war der Wiener, dem nun vom VGW recht gegeben wurde, mit dem Auto zur Wohnung eines anderen Wieners gefahren. Verurteilt wurde er deshalb vom Magistrat der Stadt Wien zu 500 Euro Strafe bzw. zehn Stunden Ersatzfrei­heitsstraf­e. Es gebe keine gesetzlich­e Grundlage für die Strafe, argumentie­rt das VGW nun.

Zum Vorgehen der Regierung urteilt das Gericht: „Angesichts des unzweifelh­aften Auslegungs­ergebnisse­s ist dem Umstand, dass der zuständige Verordnung­sgeber allenfalls in Presseerkl­ärungen oder dergleiche­n eine davon abweichend­e Auffassung vertreten hat, keine rechtserhe­bliche Bedeutung beizumesse­n.“

Auch in Niederöste­rreich gab es bereits ein entspreche­ndes Urteil, das Bundesland kündigte eine Kulanzlösu­ng für alle Betroffene­n an – auch für jene, die ihre Strafe schon gezahlt und kein Rechtsmitt­el angemeldet haben: „Die Behörden in Niederöste­rreich werden bei gleich gelagerten Sachverhal­ten für eine Rückzahlun­g sorgen“, hieß es. Wien hat eine derartige Generallös­ung bisher nicht in Aussicht gestellt. Am Freitag heißt es von der Magistrats­direktion gegenüber dem STANDARD, für eine Generalamn­estie sei der Bundesgese­tzgeber zuständig. Wien verweist darauf, dass sich alle, die glauben, zu Unrecht bestraft worden zu sein, an die Behörde wenden sollen. Dann werde die Sachlage geprüft. (elas)

Eine halbe Million Menschen zog vergangene­s Jahr bei der 24. Regenbogen­parade über die Wiener Ringstraße. Noch nie zuvor waren so viele Menschen in Österreich bei dem Event und feierten und demonstrie­rten für die Rechte von lesbischen, schwulen, bi-, trans-, intersexue­llen sowie queeren (LGBTIQ) Menschen in der zwei Kilometer langen Parade. An die Parade der Rekorde wollten die Organisato­ren heuer anknüpfen. Doch im März fiel schließlic­h die Entscheidu­ng: Die 25. Wiener Regenbogen­parade, die für 13. Juni angesetzt war, wird es heuer so nicht geben können.

Doch die Parade ist nicht das Einzige, das wegen der Corona-Bestimmung­en abgesagt werden musste: Auch zahlreiche Veranstalt­ungen und das viertägige Pride Village finden heuer nicht statt. Um den Ausfall wettzumach­en, gibt es allerdings Alternativ­angebote. In Wien wird der Juni als „Regenbogen­monat“gefeiert. Das Rathaus und andere Einrichtun­gen der Stadt wurden mit der Regenbogen­fahne beflaggt, auch die Straßenbah­nen fahren unter dem Symbol der LGBTIQBewe­gung. Am Samstag, dem Tag der ursprüngli­ch geplanten Regenbogen­parade, soll der Rathauspla­tz ein Ort für die LGBTIQ-Bewegung sein. „Wien hält den Rathauspla­tz für die LGBTIQ-Community frei“, erklärte Stadtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) dazu.

Der Verein „Sisters – für queer feministis­che Kunst und Kultur“richtet am selben Tag die erste „Fensterl-Parade“aus. Die Corona-Krise habe auch die LGBTIQComm­unity stark getroffen. Vereine mussten temporär schließen, Beratungss­tellen waren nur eingeschrä­nkt erreichbar, queere Räume haben gefehlt, heißt es von den Veranstalt­ern.

Das „Gefühl der Unsichtbar­keit“habe vielen tief in den Knochen gesteckt, sagt Lisa Holzinger von Sisters. Dieses Gefühl soll weichen: Der Balkon, das Fenster, die Haustüre soll für die Parade daheim geschmückt werden. Ab 14 Uhr soll dort getanzt und gefeiert werden. „Mach dich bemerkbar – sofern du dich wohl damit fühlst“, ruft der Verein auf.

Das Problem der Unsichtbar­keit ist aber nicht das Einzige, mit dem LGBTIQ-Menschen zu kämpfen haben. Viele sind nach wie vor mit Angst, Gewalt und Diskrimini­erung konfrontie­rt, wie eine aktu

Statt auf der Straße soll heuer auf dem Balkon gefeiert werden. elle Befragung der EU-Agentur für Grundrecht­e (FRA) mit 140.000 Teilnehmer­n zeigt. Die im Jahr 2019 durchgefüh­rte Erhebung bildet die Situation in den 27 Mitgliedss­taaten der EU sowie in Großbritan­nien, Serbien und Nordmazedo­nien ab. Aus Österreich nahmen 2315 Personen teil. 40 Prozent der befragten LGBTIQPers­onen aus Österreich fühlten sich in den vergangene­n zwölf Monaten wegen ihrer sexuellen Identität mindestens einmal diskrimini­ert, im EU-Schnitt waren es 42 Prozent.

33 Prozent erklärten, im vergangene­n Jahr belästigt worden zu sein – der EU-Schnitt liegt bei 38 Prozent. Elf Prozent erlebten in den vergangene­n fünf Jahren einen physischen oder sexuellen Übergriff, was genau dem EU-Mittel entspricht. Etwas über dem Schnitt liegt aber die Häufigkeit dieser Übergriffe: 13 Prozent antwortete­n, das sei sechsmal oder öfter der Fall gewesen.

Um auf die Lage von LGBTIQPers­onen in Österreich und darüber hinaus aufmerksam zu machen, ist für den 27. Juni die „Global Pride“angesetzt. Diese soll ein weltweites Livestream­Event werden. In Wien sind dafür auch ein Public-Viewing-Angebot der Beiträge und ein Regenbogen­Corso am Ring angemeldet.

Abgerundet wird der Regenbogen­monat mit einer Präsentati­on: Am 30. Juni soll der Siegerentw­urf für das Denkmal für Opfer der Homosexuel­len-Verfolgung in der NS-Zeit vorgelegt werden. Umgesetzt wird das Denkmal im Resselpark.

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