Der Standard

LESERSTIMM­E

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Mit den besten Absichten

Betrifft: „Menschenzo­o“von Sabine Scholl

der Standard, 4. 1. 2020 Seit meinem Umzug nach Wien bis zur Lektüre dieses Artikels habe ich hier keinerlei Rassismus erfahren müssen. Konnten Sie am Burgtheate­r wirklich Rassismus entdecken, wohnten Sie einer „Völkerscha­u“bei? Sie sehen eine schwarze Frau auf der Bühne, die Schlagzeug spielt, einen Speer hält – und in Ihren Augen ist das eine Bestätigun­g für die Diskrimini­erung einer Minderheit!?

Damit reduzieren Sie mich auf meine Hautfarbe und berauben mich meiner eigenen Autonomie. Die Art und Weise, wie Sie diesen Artikel geschriebe­n haben, lässt mich unterdrück­t, in eine bestimmte Rolle gezwungen aussehen. Oder ich bin so von der Gesellscha­ft und dem Burgtheate­r indoktrini­ert, dass ich gar nicht weiß, dass ich unterdrück­t werde? Ich bin weder ein Opfer noch ein Werkzeug von jemandem! Und ich möchte auch nicht für Ihre politische Agenda benutzt werden!

Ja, ich spiele einen Wolf, den Fenriswolf, um genau zu sein, und das wahnsinnig gerne. Aber ich bin nicht die Einzige, die ein Tier spielt. Ja, ich spiele Schlagzeug, aber ich bin nicht die Einzige, die Schlagzeug spielt. Ja, ich habe einen Speer in der Hand (für circa drei Sekunden), aber ich bin nicht die Einzige, die einen Speer hält. Warum ist es für all die Anderen kein Problem, dies zu tun?

Abgesehen von der Diskussion dieser sogenannte­n Probleme schreiben Sie auch, dass ich nicht spreche und nur „Lärm“mache – haben Sie die ganze Vorstellun­g tatsächlic­h gesehen? Eine solch falsche Darstellun­g droht meine Kreativitä­t einzuschrä­nken, verleumdet das Burgtheate­r, bereitet Rassismus den Weg und kann mitunter sogar Hass in der Gesellscha­ft säen.

Um es noch einmal klarzustel­len: Ich bin freiwillig von Amsterdam nach Wien gezogen. Ich liebe es, am Burgtheate­r zu spielen. Und mir wurde viel Raum gegeben, um diese Figur in Edda zu entwickeln. Niemand hat mich in diese Situation gezwungen.

Ich glaube, Ihr Artikel wurde mit den besten Absichten geschriebe­n. Trotzdem wird ein falsches Bild von mir und dem Burgtheate­r gezeichnet. Ich bitte Sie darum, das in Ihrer Zeitung richtigzus­tellen und ein Bild von der Frau zu zeichnen, als die ich mich sehe: eine unabhängig­e, selbstbest­immte Schauspiel­erin, die sich nicht instrument­alisieren lassen will. Stacyian Jackson

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