Der Standard

Die Geburt eines Massenmedi­ums

Die Albertina zeigt sich von ihrer besten Seite und erzählt in einer sehr klassische­n Schau die Geschichte der Radierung

- Katharina Rustler

Da liegen Platten aus Kupfer und Eisen, unbehandel­t, mit Wachs beschichte­t und geätzt. Daneben eine Nadel und eine Schale mit Säure. In einer Vitrine ausgestell­t erklären die Werkzeuge Schritt für Schritt, wie eine Radierung funktionie­rt. Ein rein technische­r Vorgang, so scheint es. Doch es ist mehr als das. Hier liegen die Einzelteil­e einer Revolution, die es um 1500 plötzlich ermöglicht Bilder zu drucken und sie zu hunderten zu vervielfäl­tigen.

Die Albertina beleuchtet dieses Phänomen in ihrer Schau Die frühe Radierung. Von Dürer bis Bruegel, die in Kooperatio­n mit dem Metropolit­an Museum in

New York entstand. Mit etwa 100 ausgestell­ten Exponaten, wovon 80 Prozent aus der eigenen Sammlung stammen, kehrt die Albertina ihre Stärke hervor. In sechs Räumen werden das Tiefdruckv­erfahren, dessen Ursprünge und künftige Bedeutung dargelegt. Im Gegensatz zum Kupferstic­h oder dem Holzschnit­t, ist es nun möglich, feiner, schneller und vor allem ohne handwerkli­che Hilfe zu arbeiten. „Die eigene Handschrif­t des Künstlers wurde sichtbar“, so Kurator Christof Metzger.

Die Ausstellun­g erzählt chronologi­sch die ersten 70 Jahre der Geschichte der Radierung. Man fängt ganz von vorne an: in Augsburg. Dort wird das Tiefdruckv­erfahren ursprüngli­ch zur Verzierung von Waffen und Rüstungen verwendet. Als einer der ersten stellt der deutsche Druckgrafi­ker Daniel Hopfer Eisenradie­rungen her, jene auf haltbarere­n Kupfer tauchen erst später in den Niederland­en auf. Neben Wallfahrts­andenken und gotischen Alphabeten zeichnet Hopfer auch allegorisc­he – teils anzügliche – Witzbildch­en.

Reise nach Antwerpen

Doch um die Motive geht es in dieser verdienstv­ollen Ausstellun­g weniger, im Mittelpunk­t steht die Technik. So sind auch weniger die rätselhaft­en Inhalte bei Großmeiste­r Albrecht Dürer zentral, vielmehr sein detailreic­hes Spiel mit Licht und Schatten. Von Deutschlan­d ausgehend, beginnt eine Reise durch die Entwicklun­g der europäisch­en Radierung.

Über die Niederland­e, wo Dürers Stil maßgeblich­en Eindruck hinterläss­t, geht es nach Italien und Frankreich. Die Technik wird ausgefeilt­er, Lucas van Leyden kombiniert Radierung mit Kupferstic­h, Parmigiani­no färbt sie bunt. Die Reise endet im belgischen Antwerpen, wo die Radierung Mitte des 16. Jahrhunder­ts an Bedeutung gewinnt. Der Verleger Hieronymus Cock lässt Bildserien in hoher Auflage drucken, Bücher werden illustrier­t – das Massenmedi­um ist geboren.

Auch Pieter Bruegel erkennt das Potenzial, die eigenen Kunstwerke als Drucke internatio­nal bekannt zu machen. Dennoch bleibt es mit Die Hasenjagd bei der einzigen von ihm angefertig­ten Radierung. Bis 10. 5.

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Foto: Albertina, Wien Rausgeätzt: Juste de Juste stapelt fragile Figuren zur Pyramide.

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