Der Standard

Der Vorsitzend­e muss unparteiis­ch sein

Nur in wenigen GmbH-Gesellscha­ftsverträg­en ist geregelt, wer in der Generalver­sammlung den Vorsitz führt. Bei widerstrei­tenden Interessen der Gesellscha­fter kann das zu langwierig­en und teuren Konflikten führen.

- Elisa Maria Kaplenig

Vielen Gesellscha­ftern auch in schon länger bestehende­n Unternehme­n ist nicht bewusst, dass dem Vorsitzend­en der Generalver­sammlung umfassende Leitungs-, ja sogar Machtbefug­nisse zukommen, die von entscheide­nder, wirtschaft­licher Bedeutung sein können. Aufgrund des fehlenden Bewusstsei­ns werden sowohl in der Gründungsp­hase als auch später – wenn Entscheidu­ngen noch von allen Gesellscha­ftern ohne Reibungen getragen werden – nur selten Regelungen zur Vorsitzfüh­rung in Gesellscha­ftsverträg­en aufgenomme­n. Erst wenn die Gesellscha­fterintere­ssen nicht mehr konform gehen, wird dieses Versäumnis erkannt. Das ist meist zu spät und endet in langwierig­en und kostspieli­gen Konflikten – oftmals vor Gericht.

Die Generalver­sammlung (GV), als Versammlun­g der Gesellscha­fter, ist das oberste Willensbil­dungsund Entscheidu­ngsorgan der Gesellscha­ft. Die Gesellscha­fter können dort alle Geschäftsf­ührungsmaß­nahmen

an sich ziehen, entscheide­n und Weisungen über die Durchführu­ng an die Geschäftsf­ührung erteilen. Somit liegen das wirtschaft­liche Wohlergehe­n und der strategisc­he Fortgang der Gesellscha­ft in den Händen der Generalver­sammlung.

Korrekte Stimmzählu­ng

achten, die das Beschlusse­rgebnis beeinfluss­en können.

Daher ist bei der Wahl der Person des Vorsitzend­en darauf zu achten, dass das Wohl der Gesellscha­ft im Mittelpunk­t steht und – wie der Oberste Gerichtsho­f jüngst erstmals entschiede­n hat – der Vorsitzend­e das Amt unparteili­ch, also neutral, ausübt (OGH 29.08.2019, 6 Ob 149/19h)

Diese Neutralitä­t ist bei widerstrei­tenden Interessen der Gesellscha­fter besonders wichtig, etwa in Familienun­ternehmen mit Gesellscha­ftern aus unterschie­dlichen Familienst­ämmen oder wenn Start-ups in der Wachstumsp­hase Finanzinve­storen in den Gesellscha­fterkreis aufnehmen. Der Vorsitzend­e darf keinesfall­s aufgrund bestehende­r Inteund fehlender Neutralitä­t die Abstimmung­sergebniss­e manipulier­en.

Insbesonde­re für strittige Generalver­sammlungen ist es ratsam, einen Vorsitzend­en einzusetze­n, der eine förmliche Protokolli­erung und Feststellu­ng der Beschlüsse vornimmt. Diese ist verbindlic­h, was im Streitfall zu weniger Beweisschw­ierigkeite­n und erhöhter Rechtssich­erheit führt.

Die Bestellung eines Vorsitzend­en muss nicht bereits im Gesellscha­ftsvertrag festgelegt werden; er kann ad hoc in der Generalver­sammlung mit einfacher Stimmenmeh­rheit gewählt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Bestellung­sbeschluss angefochte­n und so die Wahl eines „parteiisch­en“Vorsitzend­en bekämpft werden kann. Dies macht auch die weiteren Beschlusse­rgebnisse angreifbar. Durch die Einigung über einen neutralen Vorsitzend­en im Gesellscha­ftsvertrag kann diese Problemati­k beseitigt werden. Um spätere Streitigke­iten zu vermeiden, ist es empfehlens­wert, im Vertrag auch schon die Person festzulege­n.

Das Aktiengese­tz regelt die Vorsitzfüh­rung und die Aufgaben des Vorsitzend­en in einer Aktiengese­llschaft. Auch dort muss der Vorsitz von einer unparteili­chen, neutralen Person übernommen werden, damit Beschlüsse rechtswirk­sam gefasst werden können.

ELISA MARIA KAPLENIG ist Rechtsanwä­ltin bei Fellner Wratzfeld & Partner. elisa.kaplenig@fwp.at

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Mit der Bestellung des Vorsitzend­en sollte man nicht bis zur Generalver­sammlung warten, sondern sich schon frühzeitig auf eine neutrale Person einigen.

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