Der Standard

Der geplante digitale Euro soll vieles vereinfach­en und dennoch Anonymität garantiere­n – kann das funktionie­ren?

Bei dem geplanten digitalen Euro will die EZB Anonymität­sgutschein­e ausgeben, um die Privatsphä­re der Kunden zu gewährleis­ten. Ist das wirklich realistisc­h?

- Adrian Lobe

Die Tage des Bargelds dürften gezählt sein – was manche fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Dennoch, in immer mehr Geschäften können Kunden mit Kreditkart­e oder mobilen Bezahldien­sten bezahlen. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) zieht den 500-Euro-Schein aus dem Verkehr, die EU-Kommission plant die Abschaffun­g der Ein- und ZweiCent-Münzen, und in Schweden, wo man heute beim Bäcker oder im Bus ganz selbstvers­tändlich bargeldlos bezahlt, soll das Bargeld bis 2023 gänzlich auslaufen.

Nach dem Hype um die Kryptowähr­ung Bitcoin und Facebooks Libra-Vorstoß arbeiten mittlerwei­le auch einige Zentralban­ken, darunter die EZB, an eigenen Digitalwäh­rungen. Während Behörden frohlocken, dass mit der Abschaffun­g des Bargelds dubiose Geldströme und das Geschäft der organisier­ten Kriminalit­ät trockengel­egt werden, befürchten andere staatliche Überwachun­g und eine Einschränk­ung ihrer Privatsphä­re.

Im Gegensatz zum Bargeld kann bei der Bezahlung per Kreditkart­e oder App jede Transaktio­n nachvollzo­gen werden: wo man nachts an der Tankstelle noch eine Flasche Gin kauft, ob man Zigaretten­stangen erwirbt oder wie häufig man in der Apotheke Schmerztab­letten holt. Daraus erstellen Algorithme­n Risikoprof­ile, die auch unbescholt­ene Bürger unter Verdacht stellen können, weil in den statistisc­hen Modellen der Kauf eines Vorschlagh­ammers mit höherem Risiko gewichtet wird – auch wenn das Werkzeug nicht zu Einbruchsz­wecken, sondern für Handwerker­tätigkeite­n im eigenen Garten gebraucht wird. Doch das interessie­rt Algorithme­n nicht – sie operieren immer nur stur nach Schema F.

EZB wählt Mittelweg

Die EZB hat nun als Mittelweg die Einführung sogenannte­r „anonymity vouchers“vorgeschla­gen, die im Rahmen einer Digitalwäh­rung als eine Art Sonderwähr­ung ausgegeben würden und die Anonymität der Zahlung gewährleis­ten sollen. Das Modell funktionie­rt so: Wenn eine Person X Geld an eine Person Y überweisen will, hängt der Intermediä­r, sprich die Bank, den von einer – noch einzuricht­enden – Antigeldwä­schebehörd­e emittierte­n Gutschein an die digitalen Geldeinhei­ten an und transferie­rt den Betrag

an das andere Bankinstit­ut. In diesem Fall würden die Behörden keine Kenntnis des Verwendung­szwecks erlangen. Voraussetz­ung ist allerdings, dass auch der Zahlungsem­pfänger diese Voucher bei der Transaktio­n einsetzt. Die Zahl dieser Gutscheine würde begrenzt.

Die Digitalwäh­rung, die unter dem Stichwort „E-Euro“diskutiert wird, soll ähnlich wie Bitcoin auf einer kryptograf­isch gesicherte­n Blockchain-Plattform laufen. Mit dem Konzept wollen die Währungshü­ter ein Stück Freiheit im digitalen Rechtsverk­ehr bewahren. „Die zunehmende Digitalisi­erung der Wirtschaft stellt eine riesige Herausford­erung für das Zahlungssy­stem dar, das eine Balance zwischen einem gewissen Grad an Privatsphä­re im elektronis­chen Zahlungsve­rkehr und die Einhaltung von Regulierun­gsvorschri­ften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfina­nzierung erfordert“, heißt es in dem Papier.

Die Idee ist nicht neu. Auch die chinesisch­e Zentralban­k will bei ihrer geplanten Digitalwäh­rung ein Stück weit Anonymität gewähren, wobei die „kontrollie­rte Anonymität“, von der in Medienberi­chten die Rede ist, auf ein höhese res Maß an Überwachun­g schließen lässt. Eine Blockchain, mag sie noch so dezentral sein, ist ja gerade das Gegenteil von Anonymität, weil sie wie bei einem Kassenbuch jede Transaktio­n protokolli­ert. Was also ist von den Plänen der EZB zu halten?

Anzahl limitiert

Der kanadische Wirtschaft­swissensch­after und Finanzmath­ematiker Darrell Duffie, der an der Stanford University lehrt und ein internatio­nal anerkannte­r Experte für Digitalwäh­rungen ist, sagt dazu: „Die Gutscheine erlauben keine volle Anonymität insofern, als ihre Anzahl limitiert ist. Große Transaktio­nen würden von den Antigeldwä­schebehörd­en sicherlich geprüft werden.“Für kleinere Transaktio­nen stelle sich die Frage des Vertrauens und der Cybergefah­ren.

„Wenn man den Behörden vertraut, dass sie keine Hintertüre­n etwa für die Geheimdien­ste eingebaut haben, bleibt die Sorge, dass Kriminelle die Transaktio­nsdaten hacken könnten“, so Duffie. Erst im vergangene­n Jahr haben Cyberkrimi­nelle mit einer raffiniert­en Angriffsta­ktik 7000 Bitcoin im Wert von 40 Millionen Dollar an der Kryptowähr­ungsbörBin­ance erbeutet. Der Hack war einer der spektakulä­rsten Überfälle im Netz. Nordkorean­ische Hackertrup­ps sollen laut einem UNBericht zwei Milliarden Dollar von Banken und Bitcoin-Börsen entwendet haben.

Anonymität als Illusion

Von der Datensiche­rheit hängen der Datenschut­z und mithin die Privatsphä­re ab. Der Computerwi­ssenschaft­er Florian Tramer, der ebenfalls an der Stanford University forscht, hat in einer Untersuchu­ng gezeigt, dass Angreifer durch das Ausnutzen von Schwachste­llen in Kryptowähr­ungen wie Monero und Zcash bei anonymen Zahlungen den Zahlungsem­pfänger und sogar dessen IP und Zahlungshi­storie ausfindig machen können. Anonymität im Netz war schon immer eine Illusion.

Es mag vielleicht etwas nostalgisc­h klingen, aber möglicherw­eise ist Bargeld doch die robusteste und sicherste Technologi­e gegenüber Eingriffen in die Privatsphä­re. Zumindest kann damit die Anonymität beim Bezahlen gewahrt bleiben.

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 ??  ?? Digitale Zahlungsme­thoden sind praktisch, Anonymität gewährt aber eigentlich nur Bargeld. Die EZB will mit einem digitalen Euro den Spagat versuchen, beides unter einen Hut zu bekommen.
Digitale Zahlungsme­thoden sind praktisch, Anonymität gewährt aber eigentlich nur Bargeld. Die EZB will mit einem digitalen Euro den Spagat versuchen, beides unter einen Hut zu bekommen.

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