Der Standard

Die Angst der Austrochin­esen vor dem Zorn der anderen

Hunderte Rückkehrer begeben sich in freiwillig­e Quarantäne – sie wollen nicht, dass das Coronaviru­s die Stimmung kippen lässt

- Kim Son Hoang

Links und rechts flitzen die Kellnerinn­en und Kellner um die Tische herum. Servieren, abräumen, neuen Gästen den Platz zuweisen. Im Chinaresta­urant von Yang Tie in WienLandst­raße ist nichts von einem Umsatzrück­gang zu spüren. Medien haben berichtet, dass viele Gäste aufgrund des Coronaviru­s die rund 600 chinesisch­en Lokale in der Bundeshaup­tstadt meiden würden. Damit und auch mit anderen Meldungen hat der 48-Jährige durchaus ein Problem.

Vieles sei übertriebe­n, sagt Yang. Der 46-jährige Chen Zishi, ebenfalls Gastronom, pflichtet ihm bei. Von rassistisc­hen Vorfällen gegenüber Chinesen, wie sie in Deutschlan­d vorgefalle­n sind, ist ihnen hierzuland­e nichts bekannt. Damit das auch so bleibt, begeben sich in Österreich hunderte Chinesen in eine freiwillig­e 14-tägige Quarantäne.

Chen ist einer von ihnen. Anlässlich des chinesisch­en Neujahrs flogen er und seine Frau im

Jänner nach China. „Wir wollten zwei Wochen bleiben. Aber als wir vom Virus erfuhren, sind wir nach einer Woche zurückgeke­hrt.“Am 26. Jänner in Wien angekommen, befolgte er einen Aufruf, der am 20. Jänner in der chinesisch­en Community über den MessengerD­ienst Wechat erfolgte: Alle Zurückgeke­hrten sollen sich zwei

Wochen lang freiwillig isolieren, um im Fall einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s eine Weiterverb­reitung zu verhindern.

„Viele von uns leben schon seit Jahrzehnte­n hier. Österreich ist unsere Heimat, wir wollen nicht, dass es wegen uns Probleme gibt“, erklärt Chen. „Wir möchten verhindern, dass die Stimmung kippt und die Leute wütend auf Chinesen werden“, ergänzt Yang.

Im Falle von Chen Zishi war es die eigene Wohnung, in der er sich mit seiner Frau zwei Wochen isolierte. Freunde kamen regelmäßig vorbei und legten Lebensmitt­el vor die Haustür. Seit einigen Tagen bewegt er sich wieder frei. Die Quarantäne, sagt er, habe ihm keine Probleme bereitet.

Manch andere mussten die eigenen vier Wände verlassen, weil dort eine Isolation nicht möglich war. Chunah Urban-Chao, Besitzerin des Sichuan-Restaurant­s in Wien-Donaustadt und eine führende Persönlich­keit in der chinesisch­en Community, erklärt, dass bisher rund 20 Personen um Hilfe gebeten hätten. „Wir holen die Leute vom Flughafen ab, bringen sie in Hotels oder woandershi­n, wo sie allein sein können, und versorgen sie mit Essen“, sagt sie. Freiwillig­e würden sich darum kümmern, die Hilfsberei­tschaft untereinan­der sei groß.

Ob Chinaresta­urants aufgrund der Epidemie tatsächlic­h Einbußen hinnehmen mussten, könne man jetzt noch nicht sagen, so Chunah. Es könne auch an den Semesterfe­rien liegen. „Es gibt Lokale, die sich auf chinesisch­e Touristeng­ruppen spezialisi­eren, teilweise nur für sie aufmachen“, sagt Yang Tie. Da könne er sich einen Gästeschwu­nd durchaus vorstellen, ansonsten aber sei auch ihm nichts diesbezügl­ich bekannt.

Lob für Chinas Regierung

Zhang Shaoyi, der Waren aus China importiert, muss ebenfalls den Kopf schütteln angesichts diverser Panikmeldu­ngen. Sein Geschäft

laufe uneingesch­ränkt gut. Kritik am Vorgehen der chinesisch­en Regierung kann der 46-Jährige nicht nachvollzi­ehen. Dass Peking zig Millionen Menschen in China isoliere, sei notwendig gewesen: „China schützt die ganze Menschheit vor dem Virus.“Überhaupt, sagt Zhang, sei so etwa nur in China möglich.

In Wien leben rund 30.000 Austrochin­esen und etwa 7800 chinesisch­e Staatsbürg­er. Die meisten von ihnen, geschätzt bis zu 80 Prozent, stammen aus der Provinz Zhejiang. Dort gibt es nach der hauptbetro­ffenen Provinz Hubei die meisten bestätigte­n Infektione­n. Zahlreiche Ortschafte­n wurden abgeriegel­t.

Die Verwandten dort, so Yang, erzählten, dass die Quarantäne kürzlich um 14 Tage verlängert worden sei. Es gebe viele Straßenspe­rren, die Menschen müssten daheimblei­ben und dürften nur sporadisch zum Einkaufen ins Freie. Gesichtssc­hutz sei Pflicht, sagt er.

Wie lange dieser Zustand noch anhalte, sei unklar. In zwei Wochen wisse man wieder mehr.

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Foto: Hoang Chen Zishi, Yang Tie und Zhang Shaoyi (von links) leben in Wien.

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