Der Standard

Milde Urteilsbeg­ründung in Verfahren gegen Promiarzt

39-Jähriger und 35 Jahre alte Ehefrau wegen Mordes durch Unterlassu­ng in Krems vor Gericht

-

Krems – Einen Mord kann man auch begehen, indem man nichts macht. Genau das ist es, was die Staatsanwa­ltschaft Krems einem Ehepaar aus dem Weinvierte­l vorwirft. Zum Auftakt des Prozesses wegen Mordes durch Unterlassu­ng am Mittwoch bekannten sich ein 39-Jähriger und seine 35 Jahre alte Frau nicht schuldig. Dass ihre 13jährige Tochter am 16. September an einer chronische­n Bauchspeic­heldrüsene­ntzündung gestorben sei, liege daran, dass sie „auf Gott vertraut“hätten, argumentie­rten die beiden von Rudolf Mayer und Zaif Rauf verteidigt­en Angeklagte­n.

Der Tod des Kindes hat laut Anklagesch­rift eine jahrelange Vorgeschic­hte. Die deutschen Staatsbürg­er gehören der evangelika­len Glaubensge­meinschaft „Gemeinde Gottes“an. Der 39-Jährige wurde in Usbekistan geboren, seine Partnerin in Kasachstan. Bis auf das letztlich verstorben­e Mädchen ließen sie keines ihrer sieben Kinder jemals von einem Arzt untersuche­n, zudem besuchte der

Nachwuchs weder Kindergart­en noch Schule. „Es sind alle abgeschott­et im Heimunterr­icht unterricht­et worden“, betonte die Staatsanwä­ltin.

Bereits im Juni 2017 war der Gesundheit­szustand des Mädchens kritisch. Nach Interventi­on der Bezirkshau­ptmannscha­ft Krems wurde die damals Zehnjährig­e in das SMZ Ost in Wien eingeliefe­rt. Dort wurden die chronische Entzündung der Bauchspeic­heldrüse – auch Pankreatit­is genannt – und ein lebensbedr­ohlicher Zustand diagnostiz­iert. Trotz eindringli­cher Warnungen der Ärzte unterschri­eb der Vater acht Tage später einen Revers, woraufhin das Mädchen in häusliche Pflege übergeben wurde.

Mitte September 2019 spitzte sich die gesundheit­liche Lage des Kindes zu. Im Beisein seiner Frau erklärte er seiner Tochter angesichts ihres schwachen Allgemeinz­ustandes laut Anklage, dass sie sterben würde. Am folgenden Tag erwachte die 13-Jährige nicht mehr aus einem diabetisch­en Koma.

Die Eltern sollen am Krankenbet­t das Sterben ihrer Tochter beobachtet haben.

Der 39-jährige Angeklagte verantwort­ete sich damit, dass er und seine Gattin „auf Gott vertraut“und gehofft hätten, „dass Gott ihr (der Tochter, Anm.) hilft“. Er habe angefangen zu fasten und gebetet. Dass das Mädchen sterben könnte, habe er zwar vermutet, dennoch aber immer weitergeho­fft: „Wir glauben auch daran, dass Gott Tote auferwecke­n kann.“Der 13-Jährigen habe er dennoch angeboten, zum Arzt zu fahren, „aber sie wollte nicht“. Die Erkrankte habe gesagt „wenn Gott sie nicht heilt, will sie in den Himmel“. Den Willen des Mädchens zu respektier­en sei in der Nachbetrac­htung jedoch falsch gewesen, das sei ihm nun „mehr klar“.

Generell würden er und seine Frau lieber auf Gott als auf die Medizin setzen, denn: „Gott heilt jede Krankheit.“Die meisten Ärzte seien ungläubig und daher keine Diener Gottes. Ins Spital zu gehen sei ein Zeichen eines schwachen Glaubens.

Die Mutter erzählte, sie habe mit ihrer Tochter gesprochen, sie gestreiche­lt und intensiv gebetet. „Ich habe erwartet, dass Gott sie gesund macht. Er hat uns immer geholfen – es gab keine Ursache, wieso er nicht helfen sollte.“Nun, nach dem Tod der Tochter, sei sie zum Teil enttäuscht von Gott: „Keine Mama möchte doch, dass ihr Kind stirbt“, sagte die Deutsche unter Tränen.

Ob noch am Mittwoch ein Urteil gefällt wird oder der Prozess am 19. Februar zu Ende geht, stand bei Redaktions­schluss aus. (APA, red)

 ?? Foto: APA/Pfarrhofer ?? Das Paar sah zu und betete, als sein Kind ins Koma fiel.
Foto: APA/Pfarrhofer Das Paar sah zu und betete, als sein Kind ins Koma fiel.

Newspapers in German

Newspapers from Austria