Der Standard

Den Haag muss weiter auf al-Bashir warten

Der Internatio­nale Strafgeric­htshof soll auf die wegen Verbrechen in Darfur Gesuchten Zugriff bekommen, sagt ein sudanesisc­her Offizielle­r. Dass Omar al-Bashir nach Den Haag überstellt wird, bedeutet das nicht automatisc­h.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Der Jubel nach den ersten Berichten von Dienstagab­end hat sich inzwischen gelegt und ist Skepsis gewichen: Nein, die sudanesisc­he Regierung hat eigentlich nicht, wie weltweit gemeldet, beschlosse­n, den im April 2019 gestürzten Machthaber Omar al-Bashir an den Internatio­nalen Strafgeric­htshof (ICC) in Den Haag auszuliefe­rn. Dort laufen zwei Haftbefehl­e gegen ihn, ausgestell­t 2009 und 2010 wegen Kriegsverb­rechen und Verbrechen gegen die Menschlich­keit zwischen 2003 und 2008 im Darfur-Konflikt.

Bewegung gibt es in der Sache aber doch. Die BBC, die den Bericht von der angekündig­ten Auslieferu­ng als Erste brachte, hat wohl eine Äußerung eines Mitglieds des sudanesisc­hen interimist­ischen Souveränen Rats, Hassan Eltaish, überinterp­retiert. Dieser hatte am Rande von Friedensve­rhandlunge­n der neuen Führung mit Darfur-Rebellen in der südsudanes­ischen Hauptstadt Juba von einer Einigung darüber gesprochen, wie man mit den insgesamt fünf vom ICC Beschuldig­ten

weiter verfahren soll. Die Darfuris wollen sie natürlich vor Gericht sehen. Nach den Worten des Offizielle­n würden sie ausgeliefe­rt, in dem Sinn, dass sie vor dem ICC zu erscheinen hätten. Aber Den Haag wurde nicht genannt. Omar al-Bashir wurde namentlich auch nicht genannt.

Wie das „Erscheinen“der Beschuldig­ten vor Gericht in der Praxis aussehen könnte, ist demnach noch unbekannt. Die in London ansässige Sudan-Expertin Yousra Elbagir, die eine Auslieferu­ng allein aus internen politische­n Gründen für unwahrsche­inlich hält, führt auf Twitter zwei mögliche Optionen an: entweder einen ausgelager­ten ICC-Gerichtsho­f im Sudan oder ein hybrides ICCsudanes­isches Gericht.

Nach der Absetzung Omar alBashirs im April, der monatelang­e Proteste der Bevölkerun­g in vielen

Städten des Sudan vorangegan­gen waren, hatte der ICC Kontakt mit der damaligen Militärjun­ta aufgenomme­n und sich offen für diverse Möglichkei­ten der Zusammenar­beit gezeigt. Laut New York Times gab es aber zuletzt keine Verhandlun­gen mit Khartum oder eine Kommunikat­ion die Auslieferu­ng des 76-jährigen Exdiktator­s oder anderer von Den Haag Gesuchter betreffend.

Wachsende Unruhe

Elbagir nennt als Hintergrun­d der positiven Signale aus der Führung die wachsende Unzufriede­nheit, der entgegenge­steuert werden soll. Es gibt erneut Demonstrat­ionen in Khartum. Im Sommer hatten sich die Militärjun­ta, die alBashir – einen der ihren – gestürzt hatte, und die Protestbew­egung auf eine Übergangsp­eriode mit dem Souveränen Rat und einer Regierung geeinigt. Nach drei Jahren soll gewählt werden. Die Beteiligun­g an der Übergangsf­ührung hatte die Protestbew­egung mit weiteren Demonstrat­ionen, gegen die auch Gewalt eingesetzt wurde, erkämpft. Seit Ende August hat der Sudan einen angesehene­n Zivilisten als Premier, Abdulla Hamdok. Die soziale und wirtschaft­liche Lage bleibt schwierig.

Dass Omar al-Bashir wegen seiner Verbrechen in Darfur angeklagt wird, ist vor allem den Leidtragen­den aus diesem Konflikt – und jenen in anderen Teilen des Sudan – ein Anliegen. In sozialen Medien wurden auch Stimmen laut, die anführten, dass eine saubere Gefängnisz­elle in Den Haag gewiss bequemer sei als die Verhältnis­se in einem sudanesisc­hen Gefängnis. Al-Bashir wurde bereits im Dezember in einem Verfahren wegen Korruption und diverser Bereicheru­ngsdelikte zwei Jahren verurteilt.

Abgesehen davon, dass Ratsmitgli­ed Hassan Eltaish gar nicht von einer physischen Auslieferu­ng al-Bashirs nach Den Haag gesprochen hat: Es ist unwahrsche­inlich, dass die den Rat dominieren­den Militärs dem zustimmen würden. Nicht zuletzt Vizechef Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, einst Anführer der berüchtigt­en JanjaweedR­eitermiliz­en der Regierung in Darfur, ist wohl nicht an einer gerichtlic­hen Aufarbeitu­ng durch den ICC interessie­rt. Er gilt als eigentlich­er starker Mann im Rat, obwohl er nominell Nummer zwei hinter Abdel Fattah al-Burhan ist.

Zwischen Rat und Regierung und zwischen Zivilisten und Militärs gibt es Spannungen. Zuletzt gab es Kritik der Protestbew­egung an einem Treffen al-Burhans mit Israels Premier Benjamin Netanjahu in Uganda. Die Gründe dafür sind pragmatisc­h: Der Ratschef erhofft sich, dass der Sudan über israelisch­e Fürsprache von der USSanktion­sund Terrorismu­sliste herunterko­mmt. zu

 ??  ?? Omar al-Bashir in für ihn besseren Zeiten, 2015 vor dem Parlament in Khartum. Seit April 2019 sitzt er hinter Gittern – aber nach Den Haag ausgeliefe­rt wird er wohl nicht.
Omar al-Bashir in für ihn besseren Zeiten, 2015 vor dem Parlament in Khartum. Seit April 2019 sitzt er hinter Gittern – aber nach Den Haag ausgeliefe­rt wird er wohl nicht.

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