Der Standard

Österreich erkannte Lauschangr­iff

Von CIA und BND manipulier­te Geräte flogen auf

- Birgit Baumann aus Berlin, Manuela Honsig-Erlenburg, Michael Simoner

Wien/Berlin – Zur Frage, ob die CIA und der deutsche Bundesnach­richtendie­nst (BND) auch Österreich jahrzehnte­lang ausspionie­rt hatten, gab es bisher keine offizielle Stellungna­hme des Verteidigu­ngsministe­riums. Dabei käme Österreich vermutlich gar nicht schlecht weg. Denn nach Angaben eines ZDF-Journalist­en, der zu den Aufdeckern des weltweiten Geheimdien­stskandals gehört, dürfte der österreich­ische Geheimdien­st in den 1970ern erkannt haben, dass die bei der Schweizer Crypto AG erworbenen Verschlüss­elungsgerä­te manipulier­t waren. (red)

Dass Geheimdien­ste keinen Humor haben, kann man zumindest in diesem Fall nicht behaupten. Operation Rubikon ist der Name der in mehrfacher Hinsicht grenzübers­chreitende­n Aktion, bei der der deutsche BND und die US-amerikanis­che CIA über 23 Jahre lang (1970 bis mindestens 1993) die verschlüss­elte Kommunikat­ion von mehr als 130 Staaten belauscht haben sollen, darunter auch Österreich. Das Verteidigu­ngsministe­rium in Wien gab am Mittwoch dazu keine Stellungna­hme ab. Die Neos haben bereits eine parlamenta­rische Anfrage gestellt, erklärte der Abgeordnet­e Douglas Hoyos.

Im Zentrum der jetzt nach Medienrech­erchen aufgedeckt­en Abhöraffär­e steht die Schweizer Firma Crypto AG, die Dechiffrie­rmaschinen baut. Mithilfe dieser Firma sei es gelungen, den Staaten manipulier­te Technologi­e zu verkaufen und dann vermeintli­ch sichere

Kommunikat­ion abzuhören. Auch Österreich habe manipulier­te Geräte gekauft, laut dem an der Recherche beteiligte­n ZDF-Redakteur Ulrich Stoll hat Wien allerdings deren „Knackbarke­it“bald erkannt.

Gerüchte, wonach die Crypto AG von den Geheimdien­sten unterwande­rt sei, gibt es seit 1996. Unbekannt war bisher, dass CIA und BND seit 1970 zu gleichen Teilen Eigentümer der Crypto AG waren und Einnahmen in schwarze BNDKassen flossen. Dies wurde über eine Liechtenst­einer Treuhandfi­rma verschleie­rt.

Ein Stück sicherer

Bernd Schmidbaue­r, der unter dem deutschen Kanzler Helmut Kohl von 1991 bis 1998 Kanzleramt­sminister und als solcher für die Geheimdien­ste zuständig war, bestätigte die gemeinsame­n Abhöraktio­nen am Dienstag. „Die Aktion Rubikon hat sicher dazu beigetradi­e gen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben ist“, sagte er in der ZDF-Sendung Frontal 21, deren Redakteure gemeinsam mit der Washington Post und dem Schweizer Fernsehen Einblick in die Akten hatten. Darin heißt es: „Diplomatis­che und militärisc­he Verkehre vieler wichtiger Länder der Dritten Welt, aber auch europäisch­er Staaten konnten (…) flächendec­kend mitgelesen werden.“

Seit 100 Jahren ist Crypto AG ein klingender Name im Geheimdien­stbusiness. Seit ihrer Gründung im Jahr 1922 in Schweden hat die Crypto AG Dechiffrie­rmaschinen gebaut. 1941 wurden erste Geräte für das US-Militär lizenziert, 1952 übersiedel­te die Firma schließlic­h in die Schweiz. Viele Länder bestellten schon zu Beginn des Kalten Krieges Geräte für eine verschlüss­elte Kommunikat­ion, die bei Militärs oder in Auslandsbo­tschaften eingesetzt wurden. Für Technik sorgte laut den aktuellen Medienberi­chten Siemens. Der Münchner Elektronik­konzern soll den Vorstand bei der Crypto AG gestellt haben, neben diesem waren nur zwei Mitarbeite­r eingeweiht. Das Schweizer Geschäft heißt heute übrigens Cy One Security AG. Die internatio­nale The Crypto Group AG ist seit Jahren wieder in schwedisch­em Besitz.

Brisante Informatio­nen

Aus den aktuell bekannt gewordenen Dokumenten lässt sich beispielsw­eise ablesen, dass die Geheimdien­ste früh über Menschenre­chtsverlet­zungen durch die Militärjun­ta in Argentinie­n informiert waren. Der damalige Bundeskanz­ler Helmut Schmidt (1974 bis 1982) schwieg, Deutschlan­d nahm 1978 an der Fußball-WM in Argentinie­n teil. Im ZDF-Bericht heißt es auch, die USA hätten nach dem Bombenatte­ntat auf die Westberlin­er Diskothek

La Belle im Jahr 1986 nur deshalb so schnell Libyen verantwort­lich machen können, weil der damalige Diktator Muammar Gaddafi „ein Großkunde“der Crypto AG war. Damals starben drei Menschen, mehr als 200 wurden verletzt. 2004 zahlte Libyen an die Opfer 35 Millionen Dollar Entschädig­ung. Die Frage, ob BND und CIA die Anschlagsp­läne gekannt hätten, verneinte Schmidbaue­r.

Bis zum Ausstieg der Deutschen im Jahr 1993 verdiente der BND gut mit der Firma. Regierung und Bundestag sollen davon nichts gewusst haben. Grüne und Linke fordern nun von der heutigen deutschen Regierung Aufklärung. Schweizer Politiker wollen einen Untersuchu­ngsausschu­ss über das Ausmaß der Affäre. Auf der Firmenseit­e der Crypto Group hieß es am Mittwoch: „Wir haben keine Verbindung zu CIA oder BND und hatten auch nie eine.“

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Foto: Picturedes­k/Laif Die CX-52 war quasi das Urprodukt der Dechiffrie­rmaschine der Crypto AG in den 1950er-Jahren, also in der Frühzeit des Kalten Krieges.

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