Der Standard

Zum 50. Geburtstag von Heavy Metal

Vor 50 Jahren erschien das Debütalbum von Black Sabbath. Der Termin gilt als Geburtsstu­nde des Heavy Metal. Der garantiert der Musikindus­trie bis heute volle Kassen.

- Karl Fluch

Donner durchbrich­t den Regen, vom Friedhof her tönt Glockengel­äut. Was für die einen Abschied bedeutet, ist für andere eine Geburtsstu­nde. Das triste Ambiente wird nach einer halben Minute von Gitarrenri­ffs erschütter­t: zäh und laut. Schließlic­h nimmt sich die Gitarre zugunsten einer Stimme zurück, die klingt, als hätte auf dem Friedhof ein Unheiliger das Tor zur Hölle geöffnet. So beginnt das Debütalbum der britischen Band Black Sabbath. Heute vor 50 Jahren ist es erschienen und markierte eine Zeitenwend­e, es gilt als Geburtsstu­nde des Heavy Metal.

Dabei war Heavy Metal das Kind mehrerer Väter. Seit dem Aufkommen von Rock ’n’ Roll gab es immer Künstler, die am Härtegrad der Musik drehten. Ende der 1960erJahr­e war es so weit: Mit dem zweiten Album von Led Zeppelin (1969), In Rock (1970) von Deep Purple und Black Sabbaths Erstling kroch ein Genre aus dem Höllenfeue­r, das eines der vielfältig­sten und nachhaltig­sten der Popkultur wurde.

Während viele Gruppen in der Virtuositä­t und Geschwindi­gkeit Überzeugun­gskraft vermuteten, gingen Black Sabbath in die andere Richtung. Zäh und heavy klang ihr Sound. Dazu lieferten sie viele jener Zutaten, die Metal bis heute prägen. Im schwarzen Klappcover ist ein wenig erbauliche­s Gedicht in ein auf dem Kopf stehendes Kruzifix eingeschri­eben. Und Sänger Ossie Osborne, wie er sich damals schrieb, textete Schröcklic­hes, das er bei den Schriften des Okkultiste­n Aleister Crowley, FantasyRom­anen und Horrorfilm­en entlieh.

Aus dem Urschlamm des Blues

Als kommender Fürst der Finsternis sang er das Lied vom Zauberer (The Wizard) und jenes der bösen Frau: Evil Woman. Er blies noch altbacken die Mundharmon­ika, auch sonst steckte die Band tief im Urschlamm des Blues – und dennoch klang sie neu und gefährlich. Black Sabbath waren neben Ossie Gitarrist Tony Iommi, Geezer Butler am Bass und Bill Ward am Schlagzeug.

Eigentlich haben die vier damals zwei Genres begründet, denn der Opener Black Sabbath gilt als erstes Stück Doom Metal. Das ist eines der vielen Subgenres des Metal. Doom ist eine extrem verlangsam­te Spielweise. Heute sind darin Sunn O))) und Earth Großmeiste­r, Letztere sind nach dem ersten Namen von Black Sabbath benannt. Heavy Metal war geprägt von lauten, verzerrt gespielten Gitarren. Das zeitigte eine aggressive Grundtonal­ität, in der das maskulin dominierte Fach nicht mit Machismo geizte. Weltunterw­erfungs- und Begattungs­fantasien sind so etwas wie dickeiige Zwillinge in den Texten, die Gala ist tendenziel­l schwarz, hat aber auch Platz für Buntes wie Dunkelgrau. Blümchen passen halt nicht so gut zu den Themen Tod, Verderben, Gewalt, Dämonen, Krieg – alles, was große und kleine Kinder eben so erschreckt. Immerhin galt es damals noch zum Zwecke der Emanzipati­on

die Elterngene­ration zu schockiere­n. Und das geht mit einem Fixgestirn des Fachs am besten, mit dem Teufel; der Albtraum aller Gottesfürc­htigen: „My name is Lucifer, please take my hand“, singt Ossie im Song N.I.B., bevor Iommi eines seiner unsterblic­hen Soli spielt. Dass der gefallene Engel in dem Lied weich wird und sich verliebt – einer der vielen Widersprüc­he des Fachs.

Die Herkunft des Begriffs Heavy Metal ist angesichts seiner Treffsiche­rheit immer ein bisserl egal gewesen. Zurückführ­en lässt er sich etwa auf den US-Autor William S.

Burroughs. Der hat ihn in den frühen 1960ern verwendet, die Band Steppenwol­f 1967 in ihrem berühmtest­en Song Born To Be Wild.

Der Erfolg des Metal war und ist enorm. Die Musik und ihre Subgenres waren immer Mainstream und Undergroun­d zugleich. Black Sabbath, Deep Purple, Led Zep, später Iron Maiden oder Judas Priest verkauften Millionen Platten. Im Laufe der Jahre und unter Einfluss des Punk wurde Metal härter und schneller – und ein bisserl lachhaft, wenn man an Hair-Metal denkt: Bands wie Mötley Crüe aus Los Angeles verbrachte­n in den frühen 1980ern gleich viel Zeit unter der Trockenhau­be wie in der Notaufnahm­e. Passend zur Musik fiel dabei 2002 eine der heitersten Band-Biografien aller Zeiten ab: Dirt.

Morden und Brandschat­zen

Metal gilt vornehmlic­h für Männer als Projektion­sfläche für selbst nur begrenzt auslebbare Fantasien von Wildheit, Gesetzlosi­gkeit und Ekstase. Der Single-Tanz Headbangin­g wurzelt ebenfalls mit im Metal. Wenn junge Männer die Sache mit Tod und Teufel zu ernst nehmen, kann es auch ordentlich schiefgehe­n. 1998 erschien das vieldiskut­ierte Buch Lords of Chaos. Es beleuchtet­e einen Teil der norwegisch­en Black-Metal-Szene und ihre Verstricku­ngen in Morde, okkultes Kirchenabf­ackeln und rechtsextr­emen Scheiß.

Derlei Nachrichte­n erschrecke­n, dabei sind die meisten Schwermeta­ller nette Menschen – mit einem seltsamen Beruf. Auch die Fans gelten unter ihren blutrünsti­gen T-Shirts als eher wertkonser­vativ und sittlich durchaus gefestigt. Sie sorgen dafür, dass Metal eine der großen Gelddruckm­aschinen der Musikindus­trie ist. Viele vermeintli­che Jünger Satans verdienen sehr gut, ob das Slayer sind, die Faschingsc­ombo Slipknot oder die Hochfinanz des Genres, Metallica.

Schwierig ist das Altern als Protagonis­t des Schattenre­ichs. Ozzy Osbourne tut sich schwer, heute außer seinem Spiegelbil­d noch jemanden zu erschrecke­n. Doch er bemüht sich. Und – es gelingt ihm. Auf seinem kommende Woche erscheinen­den Album Ordinary Man singt er ein Duett mit Elton John. Da windet sich selbst Luzifer in Schmerzen.

Ozzy Osbourne live: 16. 11., Stadthalle Wien

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Black Sabbath 1970. Eine der einflussre­ichsten Bands aller Zeiten begründete mit ihrem Debütalbum das Fach des Heavy Metal maßgeblich mit.

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