Der Standard

Held mit Ablaufdatu­m

Der chinesisch­e Superstar Sun Yang ist wohl der umstritten­ste Teilnehmer der Schwimm-WM in Südkorea. Er wird verdächtig­t, lila zu pinkeln.

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Seit Tagen flaniert Sun Yang wie ein Tourist durch die schmucken Wettkampfs­tätten von Gwangju, ab Sonntag betritt Chinas Schwimmrie­se selbst die in Südkorea aufgebaute WM-Bühne. In der Rolle des Bösewichts. „Ich war beim Wasserspri­ngen und Duett-Synchronsc­hwimmen“, sagte der dreimalige Olympiasie­ger gut gelaunt. „Ich bin aufgeregt und kann meine Starts nicht abwarten.“

Der Großteil der Konkurrenz wünscht sich den 27-Jährigen aber ganz weit weg, zum Beispiel auf den Mond. „Ich will nicht sehen, dass dieser Typ gegen meine Teamkolleg­en antritt, die extrem hart arbeiten, um hier zu sein“, sagte Großbritan­niens fünfmalige­r Weltmeiste­r Adam Peaty: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch kein anderer will.“

Die Aufregung um Sun Yang, der als erster Schwimmer bei Weltmeiste­rschaften und Olympische­n

Spiele alle Diszipline­n von 200 bis 1500 m Freistil gewann, hat gute Gründe. Dem wegen eines früheren positiven Tests ohnehin kritisch beäugten Weltrekord­ler droht aufgrund einer neuen Dopingaffä­re unmittelba­r nach der WM die nachträgli­che Sperre und vielleicht sogar das Karriereen­de. Im September wird der Internatio­nale Sportgeric­htshof CAS den Fall um eine offenbar mit dem Hammer zerstörte Dopingprob­e neu aufrollen.

Schädlich

Den Zeitpunkt bestätigte Cornel Marculescu, Generaldir­ektor im Schwimmwel­tverband Fina, der Nachrichte­nagentur AFP. Die Situation sei „schädlich“, sagte Marculescu. Denn der knapp zwei Meter große Schwimmer geht in seinen geplanten Einzelstar­ts über 200, 400 und 800 m Freistil als Goldkandid­at ins Rennen. Über 400 und 800 m trifft er auch auf den 22-jährigen Österreich­er Felix Auböck, der nach den Plätzen fünf und sechs bei Weltmeiste­rschaften 2017 in Budapest in Gwangju den nächsten Anlauf in Richtung Medaille nimmt – im breiten Schatten Sun Yangs.

Wenn es nach der Fina gegangen wäre, hätte sich dessen Fall längst erledigt. Der wegen seiner Anti-Doping-Politik von Experten häufig gerügte Weltverban­d hatte Sun nach einer Anhörung im Jänner mit der Begründung freigespro­chen, dass man die ganze Wahrheit wohl „nie erfahren“werde. Gegen das Urteil hat die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada („unglaublic­h und inakzeptab­el“) bei den Sportricht­ern in Lausanne Einspruch eingelegt.

Was war passiert? Bei einem unangemeld­eten Test im September 2018 in Suns Haus in der Provinz Zhejiang im Südosten Chinas soll ein Sicherheit­smann den Behälter mit Suns Blut mit einem Hammer zerstört haben. Das geht aus einem Bericht des weltweit operierend­en schwedisch­en Anti-DopingDien­stleisters IDTM hervor, der den Vorfall dokumentie­rte. Suns Anwälte argumentie­ren, es habe nach Begutachtu­ng der Ausweispap­iere der Kontrolleu­re erhebliche Zweifel an deren Authentizi­tät gegeben. Wenig später machte die englische Zeitung Sunday

Times den Fall öffentlich. Der chinesisch­e Schwimmver­band sprach von Fake-News.

Milde

In der Kritik steht die Fina auch, weil sie sich 2014 bei Suns Dreimonats­sperre wegen einer positiven Dopingprob­e (Trimetazid­in, ein antiischäm­ischer Wirkstoff aus der Gruppe der Herzmittel, welcher eigentlich zur Behandlung einer stabilen Angina pectoris eingesetzt wird) äußerst milde gezeigt hat. Die Konkurrent­en gehen dagegen knallhart mit dem Chinesen ins Gericht. „Sun Yang pinkelt lila“, sagte der französisc­he Ex-Weltmeiste­r Camille Lacourt bei den Olympische­n Spielen 2016 in Rio.

Um Sun gab es in der Vergangenh­eit immer wieder Ärger. Bei der WM 2015 soll der Chinese laut Augenzeuge­n im Einschwimm­becken eine brasiliani­sche Sportlerin attackiert haben. Sein überrasche­nder Verzicht auf das anschließe­nde 1500-m-Finale als Titelverte­idiger erklärte Sun später mit Herzproble­men.

Im November 2013 verursacht­e er mit einem getunten Porsche Cayenne ohne Führersche­in einen Unfall und musste sieben Tage ins Gefängnis. Die Strafe sei streng, aber zu seinem Besten, hieß es damals aus Chinas Staatsappa­rat. Sun solle immer „als Held des chinesisch­en Sports und nicht als Sünder“gelten. Viele seiner Konkurrent­en denken komplett anders. (sid, red)

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Sun Yang dominiert die Freistilbe­werbe seit Jahren. Dopingkont­rollen schätzt er allerdings nicht wirklich.

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