Der Standard

Warum sich Nordkorea so für Wien interessie­rt

- Fabian Schmid, Renate Graber

Bei den Ermittlung­en gegen Mitarbeite­r des Verfassung­sschutzes poppt ein Land besonders oft auf: Nordkorea. Das liegt daran, dass Wien als europäisch­er Stützpunkt für den Tyrannenst­aat gilt – der hierzuland­e auch Vermögen in Millionenh­öhe besitzen soll.

Die nordkorean­ische Besuchergr­uppe war empört: Da marschiert­e sie eigens zu Madame Tussauds im Wiener Prater, um die Wachsfigur­en der wichtigste­n Berühmthei­ten zu sehen – und dann fehlte ihr Staatsober­haupt Kim Jong-un. Wenigstens Marilyn Monroe erkannten sie. Deren Figur „zog die Aufmerksam­keit“auf sich, wie es in einem Bericht des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) heißt.

Wenn Nordkorean­er in Österreich unterwegs sind, vor allem in Gruppen, dann stehen die Chancen gut, dass BVT-Mitarbeite­r ein Auge auf sie werfen. Das ist kein Staatsgehe­imnis, sondern nachrichte­ndienstlic­he Praxis – und bei Delegation­en aus dem Iran oder anderen „problemati­schen“Staaten nicht anders.

Doch in den Ermittlung­en zur BVT-Affäre und im parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss tauchen andere Staaten nur am Rande auf. Um Korea geht es jedoch fast pausenlos. Warum ist das so? der DtEndErd hat durch Gespräche mit Insidern und anhand zahlreiche­r Dokumente recherchie­rt, welche zentrale Rolle Wien für Nordkorea spielt – und warum deshalb auch der südkoreani­sche Geheimdien­st besonders um die Gunst des BVT wirbt.

„Die nordkorean­ische Vertretung in Wien ist eine besonders wichtige – zum einen, weil hier die Internatio­nale Atomenergi­e-Organisati­on angesiedel­t ist“, erklärt der Historiker Thomas Riegler. „Aber es gibt auch andere Gründe: Das Regime hat sich des ‚neutralen Bodens‘ hierzuland­e immer gerne bedient.“Man befand sich im Westen, aber nicht in einem Nato-Mitgliedsl­and. Dazu kommt, dass die österreich­ische Spionageab­wehr als relativ zögerlich gilt, wenn es um Handlungen gegen fremde Spionage geht. Das ist allerdings nicht immer die Regel. So wurde einem Botschafts­mitarbeite­r 2015 eine erneute Akkreditie­rung verweigert, weil er laut befreundet­en Nachrichte­ndiensten an sogenannte­n Extradieru­ngen beteiligt war. Damit bezeichnet man das „Heimholen“, also die Entführung von abtrünnige­n Staatsbürg­ern. Als Nordkorea nachfragte, warum der Mitarbeite­r nicht mehr in Wien arbeiten darf, erklärte das Außenminis­terium, das wisse er „wohl selbst am besten“. In der nordkorean­ischen Botschaft, einer Villa in Penzing, war man verschnupf­t.

Der Vorfall ist nur einer der Belege dafür, dass Nordkorea Wien als wichtigen Stützpunkt erachtet. Legendär ist die „Golden Star Bank“, die lange Zeit die einzige Filiale der nordkorean­ischen Staatsbank in Europa war. „2001 warnte der Jahresberi­cht des BVT, dass die Filiale als ‚Tarnung für nachrichte­ndienstlic­he Aktivitäte­n‘ genutzt werde. Aber es brauchte den Druck der USA, dass 2004 die Schließung erfolgte“, sagt Riegler, der etwa am Austrian Center for Intelligen­ce, Propaganda and Security Studies (Acipss) forscht.

Der Verfassung­sschutz vermutet, dass die Herrscherd­ynastie Kim in Österreich „Vermögensw­erte versteckt hält“. Regelmäßig sollen Mitglieder des persönlich­en Sekretaria­ts des Staatsober­haupts Luxusgüter aus Österreich besorgt haben. Auch bei Privatbank­en finden sich Vermögensw­erte. In einem Fall ging es um 1,127 Millionen Euro, in einem anderen um einen Betrag von 624.000 Dollar. Die Nordkorean­er kündigten 2016 bei der Wiener Privatbank ihr Kommen an, um ihr Geld in bar abzuholen. Das BVT empfand es angesichts der „derzeitige­n Situation mit Nordkorea“als „äußerst ungünstig, wenn Österreich die Geldbeträg­e frei gibt ….(!)“, wie die Beamten in einer Mail an den BVT-Chef festhielte­n. Das Außenminis­terium habe daher die Oesterreic­hische Nationalba­nk (OeNB) eingeschal­tet, auf dass die prüfe, „wie man die Auszahlung verhindern kann“. Tatsächlic­h, so ergeben Recherchen des

DtEndErd, haben die Gelder nie ihren Weg nach Nordkorea gefunden. Wie aus wohlinform­ierten Kreisen zu hören ist, hätten die Konten, die einer nordkorean­ischen Institutio­n gehört haben, bei der heimischen Privatbank schon lange vor den Sanktionen bestanden. Immer wieder hätten sich damals Nordkorean­er gemeldet, die das Geld abheben wollten. Die Bank habe das stets abgelehnt, wird berichtet. Letztlich soll die Bank dann folgenden Weg beschritte­n haben: Das Institut, das grundsätzl­ich sehr aktiv ist im Handel mit notleidend­en Krediten, soll einem Gläubiger der „nordkorean­ischen Institutio­n“dessen Forderunge­n abgekauft haben. Diese Beträge wurden aufgerechn­et, was das Problem bereinigt habe. Kurzum: Das nordkorean­ische Problem war beseitigt.

Besuch von Eric-Clapton-Konzert

Nordkorean­er sollen laut BVT über Taekwondo-Vereinigun­gen nach Österreich geschleust werden. Mitglieder der Kim-Familie reisten auch privat nach Österreich. So warnte das BVT 2014 davor, dass Kim Jong-nam, der ältere Bruder von Kim Jong-un, plante, ein Eric-ClaptonKon­zert in Wien zu besuchen („Fall Eric“). Es sei aber unwahrsche­inlich, dass dieser nur „für ein Blues-Konzert“nach Europa reise, weshalb sinistre Gründe vermutet wurden. Kim Jongnam erlangte tragische Berühmthei­t, als er 2017 mit einem Nervengift in Malaysia ermordet wurde – vermutlich auf Befehl seines eigenen Bruders, der ihn als Konkurrent­en betrachtet­e.

Zu sinistren Aktivitäte­n zählen Einkäufe bei Firmen, deren Produkte auch für die Herstellun­g von Nuklearwaf­fen genutzt werden könnten. Bekannt ist etwa, dass Nordkorea in Österreich Heiß- und Hochdruckp­ressen besorgen wollte. Das Regime wirbt auch aktiv um österreich­ische Firmen. So wurde ein heimisches Traditions­unternehme­n bezirzt, doch künftig in Nordkorea zu produziere­n. Dieses „hatte niemals auch nur diese Absicht“. Es gab „2016 Versuche um Kontaktauf­nahme beim ehemaligen Management vonseiten Nordkoreas. Diese wurden nie ernsthaft aufgenomme­n oder weiterverf­olgt“, heißt es auf Anfrage.

Eine spektakulä­re Geschäftsb­eziehung zwischen Nordkorea und einem österreich­ischen Unternehme­n steht im Zentrum der BVT-Ermittlung­en: die Produktion nordkorean­ischer Pässe bei der Oesterreic­hischen Staatsdruc­kerei. Dort sollen insgesamt 190.000 Pässe produziert worden sein. Davon wurden vor den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g 30 Passrohlin­ge abgezweigt und an das BVT übermittel­t, das drei Stück an Südkorea weitergab. Nun wird geprüft, ob der Dank Südkoreas für die Kooperatio­n als Bestechung zu werten ist. Die Staatsanwa­ltschaft fragte deshalb sogar Heurigenwi­rte, wer für die Treffen zwischen heimischen und südkoreani­schen Agenten bezahlte. Auch Reisen nach Südkorea stehen im Fokus der Ermittler, ebenso die Passweiter­gabe an sich – zu letzterer Causa wurde schon ein Vorhabensb­ericht der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft abgeschlos­sen.

Die Zusammenar­beit des BVT mit anderen Diensten ist durch die Ermittlung­en beschädigt. Der Beschuldig­te Bernhard P., Exleiter des Referats Nachrichte­ndienste, galt als Experte für Korea, wie man im Ausland bestätigt. Frankreich wandte sich etwa früher ans BVT, um gemeinsame Operatione­n durchzufüh­ren. Das dürfte vorerst der Vergangenh­eit angehören.

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Die Diktatoren aus der Kim-Dynastie sollen sich laut BVT Luxusgüter aus Österreich besorgt haben und hier Vermögensw­erte bunkern.
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