Der Standard

Kickl will bei Abschiebun­gen „kreativ“sein

Regierung will Asylaberke­nnungsverf­ahren bei Straftaten forcieren, das müsste auf EU-Ebene passieren

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Wien – Bereits vier Frauen wurden im noch jungen Jahr 2019 in Österreich getötet. Doch es ist ein bestimmter Fall, der die Bundesregi­erung zu einer neuen Initiative veranlasst. Und zwar geht es um die Ermordung einer 16-Jährigen in Wiener Neustadt, bei der ein 19jähriger Syrer der Tatverdäch­tige ist. Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) zeigte sich am Mittwoch über die Frauenmord­e erschütter­t und will „nicht zur Tagesordnu­ng übergehen“.

Zum einen will er sich daher auf europäisch­er Ebene für eine Änderung der Statusvero­rdnung ausspreche­n, zum anderen kann er sich auch Änderungen im österreich­ischen Asylgesetz vorstellen. Konkret soll jede Form einer Straftat zu einem Aberkennun­gsverfahre­n führen. Auf die Journalist­enfrage, ob dies für jeden Laden- diebstahl gelten soll, meinte der Minister vor dem Ministerra­t: „Je niederschw­elliger desto besser.“Derzeit würden internatio­nale Regeln Österreich an diesem Vorgehen hindern, damit wolle er sich aber nicht abfinden, so Kickl.

Er verwies darauf, dass er auf EU-Ebene bereits auf eine Änderung der Statusvero­rdnung gedrängt habe, dazu sei es aber noch nicht gekommen. Daher soll es auch in Österreich eine Novelle des Asylgesetz­es geben.

Zur Aussage des Wiener Neustädter Bürgermeis­ters Klaus Schneeberg­er (ÖVP) im Ö1- Morgenjour­nal, wonach es auch in Syrien Gebiete gebe, in die man abschieben könnte, stellte Kickl fest: „Das sage ich schon lange. Es heißt, ein bisserl kreativ sein.“Auch in Syrien gebe es nämlich Gebiete, die nicht vom Bürger- krieg betroffen seien. Nach dem Ministerra­t sprachen sich auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache (FPÖ) für entspreche­nde Änderungen aus.

Dass hierfür derzeit eine schwere Straftat nötig ist, hält Kurz für „sehr problemati­sch“: „Das entspricht weder dem gesunden Hausversta­nd, noch macht das für die österreich­ische Bevölkerun­g Sinn“, erklärte der Kanzler. Mögliche Abschiebun­gen in Teile Syriens sollten geprüft werden. Die Sicherheit­slage in unterschie­dlichen Gebieten des Landes sei unterschie­dlich zu bewerten.

In der Genfer Flüchtling­skonventio­n, aber auch in EU-Recht ist festgeschr­ieben, dass ein „besonders schweres Verbrechen“(siehe Wissen) ein Grund für die Aberkennun­g des Asylstatus ist.

Im Unionsrech­t ist das laut Adel-Naim Reyhani vom Wiener Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenre­chte unter anderem in der Qualifikat­ionsrichtl­inie festgeschr­ieben. Bei einem nationalen Alleingang könnte es theoretisc­h zu einem EU-Vertragsve­rletzungsv­erfahren kommen. Außerdem könnten nationale Gerichte bei entspreche­nden Fällen darauf verweisen, denn Unionsrech­t steche nationales Recht.

2018 wurden laut Innenminis­teriums 5991 Aberkennun­gsverfahre­n eingeleite­t und 3382 Entscheidu­ngen getroffen. Diese Verfahren gibt es aber nicht nur nach Straftaten, sondern z.B. auch bei freiwillig­er Rückkehr. Aus Österreich abgeschobe­n wurden im Vorjahr 4661 Menschen. 42 Prozent von ihnen waren strafrecht­lich verurteilt. (ksh, APA)

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