Kopf des Tages
Der linksradikale italienische Exterrorist und Gefängnisausbrecher Cesare Battisti ist in Brasilien untergetaucht.
Cesare Battisti wusste, dass sich mit der Wahl von Jair Bolsonaro zum brasilianischen Präsidenten das Blatt wenden würde: Der Ultrarechte hatte im Wahlkampf geschworen, den italienischen Exterroristen auszuliefern. Dem kam aber Michel Temer, per Jahresende aus dem Amt scheidender Staatspräsident, zuvor: Er unterzeichnete einen Auslieferungsbefehl gegen den 63-Jährigen, der zu Hause wegen vierfachen Mordes gesucht wird. Ein Bericht des Senders Globo über die Festnahme des Italieners erwies sich aber als Falschmeldung: Von Battisti fehlt jede Spur.
Und so erhält die Saga vom Schulabbrecher aus dem Arbeiter- und Bauernmilieu, der in Italien entweder als Untergrundkämpfer verehrt oder als Terrorist verdammt wird, ein neues Kapitel.
Battisti war in den 1970er-Jahren Mitglied der linksextremen „Bewaffneten Proletarier für den Kommunismus“(PAC) und bestreitet die ihm zur Last gelegten Morde – allenfalls trage er dafür „politische Verantwortung“. 1981 brach Battisti aus einem italienischen Gefängnis aus und floh nach Frankreich, wo ihn ein Erlass von Präsident François Mitterrand schützte. Begründung: Italienische „Aktivisten“könnten in ihrer Heimat keinesfalls mit einem fairen Prozess rechnen.
Im französischen Asyl wurde Battisti zum gefeierten Krimiautor und zählte viele linke Künstler und Intellektuelle zu seinen Fans. Unterstützt wurde er von der Sängerin Carla Bruni (der späteren Madame Sarkozy) sowie vom Philosophen Bernard-Henri Lévy.
Doch 2004 wurde ein Auslieferungsbegehren gutgeheißen, und Battisti setzte sich nach Brasilien ab. Dort galt er für den Justizminister als politischer Flüchtling. Dennoch wurde er 2007 verhaftet – aber nicht ausgeliefert. In einer seiner letzten Amtshandlungen als Staatspräsident verfügte Lula da Silva, dass Battisti 2011 freizulassen sei und ein brasilianisches Visum auf Lebenszeit zu erhalten habe. Das blieb auch unter Dilma Rousseff und Michel Temer so. 2015 heiratete er seine langjährige brasilianische Lebensgefährtin Joice Lima. Zwar wurde der Schriftsteller im Zusammenhang mit neuen Auslieferungsbegehren mehrmals festgenommen, aber stets nach wenigen Tagen wieder freigelassen.
Nun scheint Battisti der Boden unter den Füßen zu heiß geworden zu sein – er ist untergetaucht. Die Medien in Brasilien und Italien spekulieren wild: Manche sehen ihn in Bolivien, andere an einem geheimen Ort in Brasilien, von wo er gegen seine Auslieferung berufen wolle.