Der Standard

Sprachlich­e Präzision beginnt im Kopf

Einzelne Formulieru­ngen machen die Spracheleg­anz aus

- Tatjana Lackner

„Richtig ausdrücken“kann man einen Pickel. Wer dennoch über all die vielen kleinen und großen sprachlich­en Ungereimth­eiten nachdenkt, der tut das zwar umsonst (gratis), aber nicht vergeblich. Gerade im täglichen Training fällt mir auf, dass Kunden gerne Wörter verwechsel­n: Sie verwenden „dadurch“, obwohl sie „nachdem“meinen: „Dadurch, dass man mich angerufen hat ...“ist falsch und heißt richtig: „Nachdem man mich angerufen hat ...“Genauso verhält es sich mit „während“und „wohingegen“.

Ähnliches können wir bei der Verwendung von Artikeln beobachten, die einen wesentlich­en Unterschie­d machen können: „Der Verdienst“ist die Gehaltszah­lung, aber „das Verdienst“ist eine Anerkennun­g verdienend­e Leistung. Die Thematik um „das Schild“und „den Schild“lockte jüngst immer wieder österreich­ische Journalist­en in die Falle. So stand einst in Zeitungen, dass Muammar Gaddafi „Häftlinge als menschlich­e Schutzschi­lder“gegen Angriffe der Nato-Truppen verwendet habe. Außerdem wurde berichtet, dass Kosmonaute­n an ihrer Raumstatio­n „Schutzschi­lder gegen Weltraumsc­hrott“angebracht hätten. Und dass „das Hitzeschil­d“des Spaceshutt­les beschädigt ist? Wir sollten die beiden Wörter sauber trennen: „Der Schild“war ursprüngli­ch ein am linken Arm getragener Schutz zur Abwehr von Hieben und Stichen; „das Schild“ ist hingegen eine Tafel mit Aufschrift; auch das Straßensch­ild gehört dazu.

„Ich bin mir sicher“ist ebenso unschön wie falsch. Schließlic­h funktionie­rt auch dieser Satz nicht:

„Ich bin dir sicher.“Gleiches gilt für „Ich denke mir (ich denke dir?) ...“.

Was meint der Chef, wenn er ruft: „Frau Huber ‚möchte‘ zu mir ins Büro kommen!“? „Mag“Frau Huber nun, oder sollte sie besser „mögen“? „Möchten“und „mö- gen“sind ebenfalls kleine Stolperste­ine. Fazit: Niemand muss im Freundeskr­eis zur Sprachpoli­zei werden, aber gerade Kindern gegenüber sollten Sie die Unterschie­de erklären und Sprachverw­echslungen aufdecken. Doch Vorsicht! Wer ausbessert, der wird auch selbst genauer beobachtet.

Spracheleg­anz lässt sich an einzelnen Formulieru­ngen erkennen. Wir „kriegen“keine Kinder, wir „bekommen“welche. Es sind auch die Kleinigkei­ten, die gute Redner auszeichne­n.

TATJANA LACKNER ist Geschäftsf­ührerin der Schule des Sprechens. Ihr aktuelles Buch „Business-Rhetorik to go: Sprechen 4.0“ist im Verlag Austrian Standard erschienen. pwww. sprechen.com

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