„Das sind zwei unterschiedliche Welten“
Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut – dieser Leitspruch ist auch in der Immobilienbranche für viele ein Credo. Das oberste Ziel: Aufschwung. Für die Branche heißt das etwa: Unternehmen sollen nach Wien kommen, hier ihre Headquarter eröffnen oder ausbauen.
Ein Vorhaben, für das Wien lange ein idealer Standort war und teilweise heute noch ist. Rund 380 internationale Unternehmen haben ihre Headquarter in Wien. „Oft sind es die Zentralen für den Raum CEE (Central and Eastern Europe), etwa von Rewe oder Henkel“, sagt Roland Falb, Managing Partner der Unternehmensberatung Roland Berger. Die Nähe zu Zentraleuropa sowie der Flughafen sind die größten Assets. „Wien hat einen mittelgroßen Flughafen, dennoch gibt es in ganz Europa von hier aus die meisten Direktflüge nach Zentraleuropa – sogar mehr als von Frankfurt aus“, so Falb.
Was Wien als Unternehmensstandort außerdem attraktiv macht, sind die hohe Lebensqualität, internationale Studienrichtungen, dass hier zentraleuropäische Sprachen gesprochen werden, das große Kulturangebot und das gute Schulsystem. Falb sieht dennoch Verbesserungspotenzial: „Die Stadt sollte Start-ups und deren Zusammenarbeit mit etablierten, großen Unternehmen noch stärker fördern. Außerdem sollte Wien wieder ein Industriestand- ort werden, damit die wachsende Bevölkerung Arbeit finden kann.“
Dass durch all den wirtschaftlichen Aufschwung auch Nachteile entstehen könnten, etwa auf dem Markt für leistbares Wohnen, glaubt Falb nicht: „Das ist eine sonderbare Argumentation, die einen Denkfehler beinhaltet. Wien erlebt einen enormen Zuzug, die Menschen, die herkommen, müssen ja irgendwo arbeiten.“Etwa in jenen Unternehmen, die sich neu ansiedeln.
Hype in den 90ern
Dieser Meinung ist auch Robert Musil, Leiter der Arbeitsgruppe „Innovation und Urbane Ökonomie“der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: „Die Zeit, in der viele Top-Manager nach Wien gekommen sind, denen teure Wohnungen bezahlt wurden, ist eher vorbei.“Vor allem in den 90er-Jahren habe es einen großen Hype gegeben. Im oberen Preissegment gebe es heute ohnehin ein Überangebot, „außerdem sind das zwei unterschiedliche Welten“, so Musil. „Die paar Luxus-Eigentumswohnungen im 19. nehmen den Leuten im 16. keine leistbaren Wohnungen weg.“In der Ansiedelung von Unternehmenssitzen sieht er Vorteile für Wien – Kaufkraft, Steuereinnahmen, Wirtschaftswachstum. Dass es an leistbarem Wohnraum mangelt, habe mit anderen Faktoren zu tun.