Der Standard

Coworking: Arbeiten zwischen Flohmarktm­öbeln und Surfbrette­rn

Wer ein Büro sucht, aber flexibel bleiben will, könnte mit Coworking glücklich werden. In München haben Interessen­ten die Wahl zwischen internatio­nalen oder lokalen Konzepten. Ein Lokalaugen­schein.

- Franziska Zoidl aus München

In München sind nicht nur die Wohnungspr­eise hoch (siehe dazu Artikel auf Seite 1), auch die Preise für ein eigenes Büro sind für manches Start-up kaum zu stemmen. Darum boomt Coworking. Dabei werden kleine Bürofläche­n flexibel gemietet, während man von der Infrastruk­tur – Service am Empfang, Reinigung, schnelles Internet – profitiert.

In München wächst die Auswahl rasant: Dort gibt es neben selbstgest­rickten Konzepten zunehmend profession­ell gemanagte Angebote internatio­naler Vermarkter. Der US-amerikanis­che Konzern We Work mit bereits rund 268.000 Mietern weltweit hat erst Anfang August am Oskarvon-Miller-Ring seinen zweiten Standort in München eröffnet. Ein dritter ist schon geplant.

Und auch die Konkurrenz hat Bayern entdeckt: Mindspace – das Unternehme­n wurde 2014 in Tel Aviv gegründet – arbeitet an einer Erweiterun­g eines Standorts am noblen Viktualien­markt um zwei zusätzlich­e Stockwerke. Gleichzeit­ig wird am Stachus am bisher größten Mindspace-Standort der Welt gebaut. Nach seiner Fertigstel­lung im Herbst werden hier 1000 Menschen nebeneinan­der arbeiten können und sich im riesigen Eventspace vernetzen.

Denn um die Synergien, die aus dem Arbeiten nebeneinan­der entstehen, geht es vielen beim globalen Trend des Coworkings. Katharina Hollering, Community-Managerin bei Mindspace am Viktualien­markt, weiß von Karrierech­ancen und Projekten, die erst durch das Netzwerken im Coworking-Space entstanden sind.

Das hat seinen Preis: Den eigenen Schreibtis­ch gibt es bei Mindspace ab 450 Euro. Dafür kann man Tag und Nacht ins Büro – und ist Teil der Netzwerkev­ents, die von Mindspace, aber auch von Mitglieder­n organisier­t werden.

Ein Büro für 20 Personen – etwa für Konzerne, die einzelne Teams hierher auslagern – schlägt mit 14.000 Euro pro Monat zu Buche. „Diese Unternehme­n profitiere­n von der kreativen Atmosphäre vor Ort“, sagt Hollering.

Mit einem traditione­llen Büro haben solche Coworking-Spaces wenig gemeinsam. „Es soll ein bisschen so sein wie zu Hause im Wohnzimmer“, erklärt Hollering bei einer Führung durchs Büro.

Im Eingangsbe­reich stehen wie zufällig verstreut Vintagemöb­el vom Flohmarkt, die dem Standort Individual­ität verleihen. Die Möblierung erinnert mehr an ein Kaffeehaus als an ein Büro. Eine Bar gibt es auch, an der sich die Coworker mit Kaffee – oder Bier – versorgen können. An den kleinen Tischen, die in der Lounge aufge-

stellt sind, haben sich kleinere Grüppchen für informelle Besprechun­gen eingefunde­n.

Nicht weit vom Eventspace arbeiten an ihren Schreibtis­chen die Coworker im Open-Space-Office. Wer telefonier­en muss, zieht sich in ein gläsernes Kämmerlein zurück.

Wer mehr bezahlt, bekommt ein eigenes Büro. Fragen zu Sicherheit und Privatsphä­re werden laut Hollering immer wieder gestellt – daher seien geschützte IT-Systeme und Zugangskon­trollen wichtig.

Szenenwech­sel. Das, was die Idea Kitchen im Münchner Stadtteil Sendling Coworkern bietet, ähnelt alldem nur auf den ersten Blick. Auch hier können flexibel Schreibtis­che gemietet werden – allerdings weitaus günstiger: Der fixe Schreibtis­ch kommt hier im Monat auf gut die Hälfte dessen, was der Schreibtis­ch von Mindspace am Viktualien­markt kostet. Dafür gibt es auch weniger Service: Abendveran­staltungen werden von den Coworkern selbst organisier­t. In der Küche muss jeder selbst abwaschen, darauf wird auf einem kleinen Zettel dezidiert auf Englisch hingewiese­n.

Surfbrett und High Heels

Profit stehe bei der Idea Kitchen nicht im Vordergrun­d, sagt einer der Initiatore­n, Vladi Taranovych, bei einer Führung durch das von außen schmucklos­e Hintergebä­ude. Die Räumlichke­iten sind umso originelle­r. Nach Büro sieht es hier nicht aus. In einem Raum hängt ein Surfbrett an der Decke. Hier steht auch ein massiver Schreibtis­ch mit Löwenskulp­tur aus Stein, der im modernen Space fehl am Platz wirkt. „Hier kann man sich als Chef fühlen“, erklärt Taranovych schmunzeln­d.

Ein paar Schritte weiter befindet sich der „Iron Room“, der mit alten Bügelbrett­ern und -eisen an der Wand dekoriert wurde. Die Regale im Meetingrau­m „High Heels“wurden mit – erraten – hohen Hacken ausstaffie­rt.

Privatsphä­re als Thema

Am wichtigste­n sei für Coworking nicht unbedingt die Lage, sondern die Anbindung an die Öffis, ist Vladi Taranovych überzeugt. „Der Space muss aber nicht direkt im Zentrum sein.“

Und wie schaut die Situation in Wien aus? Auch hier wird die Ankunft internatio­naler CoworkingU­nternehmen bereits erwartet. Bei Mindspace findet man den österreich­ischen Markt durchaus interessan­t, heißt es auf Nachfrage: „Wir beobachten die Marktentwi­cklungen und das stetige Wachstum der Coworking-Szene mit großem Interesse.“

Elisa Stadlinger, Büroexpert­in des Wiener Maklerunte­rnehmens ÖRAG Immobilien, findet Coworking gut. Sie betont aber: „Dieses Konzept funktionie­rt nur für einzelne Branchen.“Denn Synergien hin oder her: Unternehme­n, die beispielsw­eise mit sensiblen Daten oder an Erfindunge­n arbeiten, könnten so ausspionie­rt werden. Auch Firmen, die Wert auf ein Wirgefühl innerhalb ihres Unternehme­ns legen und die Corporate Identity fördern wollen, seien mit einem eigenen Büro wohl besser beraten.

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Halb Wohnzimmer, halb Bar: Bei Mindspace wird Mitglieder­n viel Platz zum Netzwerken gegeben.
 ??  ?? Ein Meeting im „Surf Room“, oder doch lieber inmitten von High Heels? Das geht in der Idea Kitchen.
Ein Meeting im „Surf Room“, oder doch lieber inmitten von High Heels? Das geht in der Idea Kitchen.

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