Österreich-Premiere für ein neues Personenwahlrecht
Instant-Runoff-Voting ist sinnvoll, aber nicht ohne Tücken – Oscars für den besten Film werden etwa per IRV bestimmt
Wien – Als erste Partei oder politische Institution in Österreich verwenden die Grünen Instant-Runoff-Voting (IRV) bei der Kür ihrer Nummer eins. IRV dient der Auswahl einer Person aus einem Feld von drei oder mehr Kandidaten. Das australische Abgeordnetenhaus, die irische Präsidentschaft oder die Oscars für den besten Film werden per IRV bestimmt.
Anstatt nur ihre Erstpräferenz anzukreuzen, können Wähler bei IRV alle Kandidaten reihen. Wer auf Anhieb mehr als 50 Prozent der Erstpräferenzen erlangt, gewinnt. Wenn das niemand erreicht, wird der Kandidat mit den wenigsten Erstpräferenzen eliminiert. Diese Stimmen werden den Zweitpräferenzen zugeschlagen. Das wiederholt sich, bis eine Person mehr als die Hälfte der Stimmen erreicht. IRV erlaubt es Wählern, ihre Präferenzordnung anzugeben, und ermuntert Kandidaten, viele Wähler anzusprechen. Zudem erledigt es in einem Wahlgang, wofür ein Stichwahlsystem zwei braucht (IRV bedeutet etwa „sofortige Stichwahl“).
IRV hat aber auch Tücken. Es verletzt (wie auch das Stichwahlsystem) das Monotoniekriterium. Das besagt, dass ein Kandidat nicht vom Sieger zum Verlierer werden darf, wenn er von einem Teil der Wählerschaft höher gereiht wird. Genauso wenig darf ein Verlierer zum Sieger werden, wenn er von manchen Wählern niedriger gereiht wird.
Stellen wir uns eine Wahl mit drei Kandidaten (A, B und C) und 100 Wählern mit folgenden Präferenzen vor: 38 Personen wählen A vor B vor C, 32 wählen C vor A vor B, und 30 wählen B vor C vor A. Kandidat B hat die wenigsten Erstpräferenzen (30) und wird eliminiert. Diese Stimmen gehen an die Zweitpräferenz C, der mit 62 zu 38 gegen A gewinnt.
Was aber, wenn ein Teil der Wählerschaft eine bessere Meinung zu C hat und neun Personen statt „A vor B vor C“nun „C vor A vor B“wählen? Damit stimmen 29 Personen für A vor B vor C, 41 wählen C vor A vor B und 30 bleiben bei B vor C vor A. Somit wird zuerst A eliminiert, diese Stimmen gehen an B, der mit 59 zu 41 gegen C gewinnt. Das Paradoxe ist, dass ein Zuwachs an Zustimmung für C bewirkt, dass statt C plötzlich B gewinnt.
Das Beispiel ist konstruiert, aber Untersuchungen zeigen, dass bei kompetitiven Wahlen in bis zu 30 Prozent aller Szenarien solche Paradoxien auftreten können. Hoffentlich werden die Grünen in der Auswertung so transparent sein, dass etwaige Anomalien im Nachhinein erkannt werden. Der Autor ist Politikwissenschafter an der Uni Wien und bloggt auf derStandard.at.