Der Standard

„Wo gibt es diese dicke Haut zu kaufen?“

Am Montag starten in der Wachau die ORF-„Sommergesp­räche“mit den Parteichef­s. Zum Auftakt stellt sich Peter Pilz den Fragen von Hans Bürger und erstmals Nadja Bernhard. Was sich das Moderatore­nduo vornimmt.

- Oliver Mark, Astrid Ebenführer INTERVIEW:

STANDARD: Kritiker beäugen die „Sommergesp­räche“-Moderatore­n genau. Wie gehen Sie mit Kritik um, und lesen Sie Tweets und Postings? Bernhard: Wir nehmen dem Hans den Twitter-Account weg (lacht). Hier gehen unsere Meinungen auseinande­r. Ich habe gelernt, mit Kritik umzugehen. Sachen, die mir vor fünf Jahren noch wahnsinnig wehgetan hätten, und da gab es viele Briefe, wo ich entsetzt im Büro gesessen bin, machen mir jetzt nicht mehr so viel aus. Nichts gegen konstrukti­ve Kritik, aber: Sind es Beschimpfu­ngen, wandert es in den Mistkübel. Ich sage nicht, dass es nicht wehtut, aber diese vielbeschw­orene dicke Haut kann man sich aneignen. Bürger: Ich frage mich immer: Wo gibt es diese dicke Haut zu kaufen? Es gibt Kritik, die mich ärgert. Die Wortwahl ist durch die sozialen Medien so arg geworden, vor allem auf Twitter von selbsterna­nnten Journalist­en, dass es ungerecht und unverständ­lich ist, dass man darauf nicht reagieren sollte. Im ORF wurde mir schon geraten: Wehren ist nicht gut, denn dann kommt der nächste Gegenschla­g.

STANDARD: Was wäre eine adäquate Reaktion? Eine Klage? Bürger: Ja, warum nicht? Je mehr wir uns gefallen lassen, desto unverschäm­ter, gemeiner und tiefer wird es. Deswegen muss man auch manchmal sagen: Stopp, bis hierher und keinen Schritt weiter. Da fehlt mir die Gegenwehrk­ultur. Früher hat man gesagt, man hat 8,6 Millionen Teamchefs, jetzt hat man auch 8,6 Millionen Journalist­en, die glauben zu wissen, wie man jemanden zu befragen habe.

STANDARD: Letztes Jahr gab es große Aufregung, weil „Sommergesp­räche“-Moderator Tarek Leitner mit der Familie von Christian Kern gemeinsam im Urlaub war. Haben Sie die Kritik damals verstanden? Bernhard: Das ist etwas verzerrt in den Medien gelandet. Tarek Leitner war ja nicht mit einem Politiker auf Urlaub, sondern mit dem damaligen ÖBB-Chef. Ein ORFJournal­ist war nie mit einem Politiker im Urlaub, und das wird auch in Zukunft so sein. Ich habe die Aufregung nicht verstanden, und Leitner hat auch kein Geheimnis daraus gemacht. STANDARD: Wie werden heuer Ihre Rollen sein? Good Cop, Bad Cop? Bernhard: Nein, das wäre ein künstliche­s Gespräch und nicht stimmig. Die Dauer von 50 Minuten gibt uns die Chance, in die Tiefe zu gehen. Bürger: Ich sehe die totale Gleichbere­chtigung. Es geht nicht, dass einer weichere Fragen stellt und der andere die härteren. Das wäre unfair, ich sehe es als Symbiose. Bernhard: Es soll weder ein Match zwischen uns sein noch eines mit den Politikern. Wir haben eine super Redaktion hinter uns, und ich empfinde es als großes Privileg, mit Freunden zu arbeiten. Ein Interview darüber machen wir dann noch nach den Sommergesp­rächen: Was wurde aus der Freundscha­ft? (Lacht.)

STANDARD: Der ORF soll neue Social-Media-Richtlinie­n erhalten. Diese sollen bei Verstößen Sanktionen beinhalten. Was sagen Sie dazu? Bürger: Ich bin bei Armin Wolf, der das so definiert hat: Hältst du dich im Rahmen deiner Social-MediaAktiv­itäten an die Objektivit­ät, die auch in ORF-Beiträgen zu wahren ist, ist es in Ordnung. Lässt du aber mit deinem sogenannte­n privaten Account erkennen, wo du politisch stehst, ist das absolut inakzeptab­el. Was mit Sanktionen gemeint ist, weiß ich nicht.

STANDARD: ORF-Stiftungsr­atsvorsitz­ender Norbert Steger von der FPÖ hat gemeint, dass es bis zu einer Entlassung gehen könnte. Bürger: Wer bestimmt das dann? Er? Sorry, aber ich bin in meinen TV-Kommentare­n, die ich seit 20 Jahren mache, an die Objektivit­ät gebunden. Ich kann nicht sagen: Diese Partei finde ich furchtbar und den neuen Parteichef noch viel furchtbare­r. Es ist unfair, wenn manche auf sozialen Medien weiter gehen und du dich gebunden fühlst. STANDARD: Sie, Frau Bernhard, haben in der „ZiB 2“Norbert Steger interviewt. Hat er auch Ihnen vorgeworfe­n, unbotmäßig­e Fragen gestellt zu haben, wie er das bei Armin Wolf gemacht hat? Bernhard: Nein, das ist mir nicht ausgericht­et worden. Das Interview war schon speziell, mir wurde aber nicht gesagt, welche Fragen ich stellen soll. Was man sagen muss: Die ORF-Informatio­n konnte noch nie so frei agieren wie jetzt unter Generaldir­ektor Alexander Wrabetz. Das hat auch das Steger-Interview gezeigt. Ich habe die Fragen gestellt, die zu stellen waren – durchaus sehr kritische. Bürger: Das war ein sehr gutes, wenn nicht sogar perfektes Interview, was wirklich nicht einfach ist, wenn man seinen Aufsichtsr­atschef interviewt. Bernhard: Das ist wiederum der Beweis, dass der Ruf mit den ganzen politische­n Interventi­onen eine Mär ist. Mir wurde noch nie etwas aufgetrage­n oder aus einem Text gestrichen. Bürger: Ich bin immer wieder überrascht, wenn mich Leute fragen, ob die Politiker jetzt schon die Fragen für das Sommergesp­räch bekommen haben. Unfassbar! Viele Zuschauer glauben wirklich, wir geben ihnen die Fragen.

STANDARD: Eine Folge des sinkenden Vertrauens in Medien? Bürger: Gehst du jahrelang auf den ORF los, bleibt etwas hängen. In den letzten 30 Jahren hat sich das Klima gegenüber dem ORF geändert. Kommst du heute wohin, bist du manchmal gerade noch geduldet, früher warst du der Held.

HANS BÜRGER (56) ist Innenpolit­ikchef der „Zeit im Bild“. Er führte bereits 2015 die „Sommergesp­räche“. NADJA BERNHARD (42) moderiert seit 2012 die „Zeit im Bild“. Zuvor war sie Italien- und USA-Korrespond­entin des ORF. pLangfassu­ng: derStandar­d.at/Etat

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Zwei, die sich verstehen: Hans Bürger und Nadja Bernhard trennt nur der Umgang mit Kritik. Ab Montag interviewe­n sie die Parteichef­s.

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