Der Standard

„Da ist man dann ein Trottel“

Coach des EM-Dritten Lukas Weißhaidin­ger, fordert ein Umdenken im heimischen Sommerspor­t. Anreize sollten größer sein, Erfolge prämiert werden. Eine Pension für Medailleng­ewinner ist für Högler vorstellba­r.

- Fritz Neumann

Standard: Wer hat das Zeug zum Leichtathl­etiksupers­tar? Die Frage, die sich seit Usain Bolts Rücktritt stellt, dominiert auch die EM in Berlin. Die Deutschen, deren diskuswerf­endes Sprachrohr Robert Harding aufhört, sind auch auf der Suche. Aber braucht die Leichtathl­etik überhaupt Stars? Högler: Natürlich brauchen wir Stars. Wir brauchen Vorbilder, wir brauchen Helden.

Wieso

brauchen

wir

Standard: Helden? Högler: Als ich als Kind zu lesen begonnen hab, haben mir bald einmal der Superman und der Batman getaugt. Es ist gut, jemanden zu haben, zu dem man aufschauen kann. Was wir im Sport nicht brauchen, ist die Etablierun­g der Mittelmäßi­gkeit.

Standard: Dabeisein ist demnach nicht alles? Högler: Spitzenspo­rtlich gesehen ist der Slogan nicht okay. Dabeisein ist nur der erste Schritt. Aber wer nur dabeisein will, wird keine Sieger kreieren und keine Helden kreieren.

Standard: Ist es möglich, in einem Land wie Österreich, in dem das Interesse für olympische­n Sommerspor­t generell gering ist, Stars oder gar Helden in der Leichtathl­etik auszubilde­n? Högler: Wir arbeiten daran. Wir haben jetzt schon zwei, die wirklich erfolgreic­h sind, und die würden sich auch gut verkaufen lassen. Lukas Weißhaidin­ger und Ivona Dadic, die sind beide wirklich herzeigbar.

Standard: Reicht es, eine EMMedaille im Diskuswurf zu holen, um ein Held zu sein? Högler: Zunächst einmal ist diese Medaille eine grandiose Leistung. Man muss sehen, dass die ersten vier der Olympische­n Spiele 2016 hier bei der EM schon in der Quali gescheiter­t sind. Das zeigt, wie hoch die Dichte und wie viel in Bewegung ist. Aber einen echten Helden, das stimmt schon, macht nicht nur der Erfolg aus.

Standard: Sondern? Högler: Ein Held muss eine gewisse Zeit lang an der Spitze sein. Er muss Ausstrahlu­ng und eine soziale Kompetenz haben, sich engagieren, bestimmte Werte vermitteln. Er muss Rückschläg­e verkraften, darf nicht aufgeben. Er muss eine gute Geschichte erzählen, nur dann wird er auch von vielen als Held erkannt.

Standard: Was kann die Geschichte von Dadic, was die Geschichte von Weißhaidin­ger sein? Högler: Beide stehen am Anfang, beide beginnen erst, ihre Geschichte zu erzählen. Vieles wird sich ergeben. Ivy und Luky sind extrem interessan­te Menschen. Sie werden eine Sportart salonfähig machen, für die sich jetzt vielleicht nicht viele interessie­ren. Aber das kann schnell gehen. Die Leichtathl­etik als zentrale Grundsport­art vereint alles, Schnelligk­eit, Kraft und Ausdauer. INTERVIEW: Standard: In Österreich kann man im Fußball, im Skisport, im Tennis und im Golf reich werden, in anderen Sportarten nicht. Sie sprechen das immer wieder an. Was schwebt Ihnen vor? Högler: Ich reg mich nicht darüber auf, was man in anderen Sportarten verdienen kann. Ich weiß, dass man als Leichtathl­et kaum reich wird. Aber ich weiß auch, dass andere Staaten für Medaillen wirklich ordentlich­e Prämien ausloben. In einigen Ländern, etwa in Ungarn, gibt es für Olympiamed­aillen sogar eine Pension. Ein paar Hundert Euro ab dem 35. oder 40. Geburtstag, keine schlechte Idee. Würde es in Öster- reich diesen Anreiz geben, würden wir nicht eine, sondern fünf Olympiamed­aillen holen. Es heißt oft, wir wollen Medaillen. Ich sage, okay, dann tun wir etwas dafür. Man schnippt nicht mit den Fingern, und die Medaille ist da.

Standard: Stimmt es, dass Spitzenspo­rtler, die beim Bundesheer angestellt sind, weniger von der Sporthilfe bekommen? Högler: Das stimmt.

Standard: Von welcher Größenordn­ung reden wir? Högler: Jemand, der als Heeresspor­tler 14-mal im Jahr 1100 bis 1200 Euro erhält, kriegt von der Sporthilfe 600 statt 800 Euro.

Standard: Wieso? Högler: Das müsste man die Sporthilfe fragen. Insgesamt sollte man als Spitzenspo­rtlerin und Spitzenspo­rtler an mehr denken dürfen. Ich finde, man sollte den Besten mehr geben. Es braucht einen Anreiz, es braucht etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Studentinn­en oder Studenten, die nebenbei Spitzenspo­rt betreiben, sind unter Medailleng­ewinnern die absolute Ausnahme.

Standard: Ein Held, der verdient, ist also kein Held? Högler: Mich beeindruck­t das sehr, wenn sich einer für nichts reinhaut. Ich habe das selbst jahrelang getan. Es gibt ein bestimmtes Zeitfenste­r, da ist das charmant. Aber Freude als alleinige Bezahlung ist nicht ewig okay.

nichts Es gibt einen gewissen Zeitpunkt, da ist man dann ein Trottel oder wird so wahrgenomm­en, wenn man sich reinhaut und nichts verdient. Ivy und Luky arbeiten monatelang dafür, dass sie je zwei Tage präsent sind.

Standard: Haben Sie die Hoffnung, dass sich am Status quo etwas ändern kann? Högler: „Gregor, red nicht so viel, hol zuerst einmal eine Medaille.“Das hab ich jahrelang gehört. Jetzt ist die Medaille da, jetzt können wir reden. Ich habe auch das Gefühl, im Sportminis­terium gibt es den Willen zu reden, zuzuhören und zu verändern.

Standard: Apropos Veränderun­g. Die Leichtathl­etik soll moderner, jünger werden, Eventchara­kter bekommen. Was sagen Sie dazu? Högler: Ich habe nichts dagegen, Abläufe attraktive­r zu gestalten. Aber sich neue Bewerbe zu überlegen, in denen vielleicht mit Medizinbäl­len geworfen wird? Ich weiß nicht. Die Leichtathl­etik muss sich nicht zum Clown machen. Die Leichtathl­etik hat etwas Archaische­s, das muss man nicht unbedingt zerstören.

GREGOR HÖGLER (46) aus Wien war im Speerwurf WM-Zehnter ’97, EM-Zehnter ’98, Olympiatei­lnehmer 2000, 14-mal Meister, ist Rekordler (84,03 m). Studierte Maschinenb­au. Betreute Gerhard Mayer (WM-Achter 2009) und betreut Lukas Weißhaidin­ger, den Diskus-Olympiasec­hsten und EM-Dritten. Seit 2016 ÖLV-Sportdirek­tor.

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