Der Standard

Gefährdete Lehrlinge, aufgebrach­te Wirtschaft

In den Bundesländ­ern wächst der Unmut über die mögliche Abschiebun­g von Asylwerber­n in Lehre. Die Wirtschaft­skammern fordern ein Bleiberech­t und gehen auf Konfrontat­ionskurs mit dem eigenen Präsidente­n.

- András Szigetvari

Es geht um gerade einmal gut 1000 Menschen. Und doch stehen die Asylwerber, die gerade eine Lehre in Österreich absolviere­n und denen die Abschiebun­g droht, aktuell im Zentrum der innenpolit­ischen Konflikte rund um die künftige Asylund Zuwanderun­gspolitik.

Eine interne Debatte ist soeben in der Wirtschaft­skammer (WKO) entbrannt. Dabei geht es um die Frage, wie sich der Unternehme­rverband in der Diskussion um ein Bleiberech­t für Lehrlinge positionie­ren soll. Die meisten Landesorga­nisationen, jedenfalls diejenigen in Oberösterr­eich, Salzburg, Wien, Tirol, Vorarlberg und der Steiermark, verlangen ein Bleiberech­t für die Lehrlinge und eine Lösung im Sinne der Unternehme­r. Sie gehen damit auf Konfrontat­ionskurs mit dem Präsidente­n der Bundeswirt­schaftskam­mer, Harald Mahrer, und erhöhen den Druck auf die Regierung.

Mahrer hat sich diese Woche in einem Interview mit dem Kurier ablehnend zu einem Bleiberech­t geäußert: Er verstehe die persönlich­e Betroffenh­eit von Lehrlingen und Betrieben, doch ein Asylwerber in Lehre, der einen negativen Bescheid bekomme, müsse behandelt werden wie jeder andere mit negativem Bescheid. Eine Forderung an die türkis-blaue Regierung, per Gesetz Lehrlinge vor einer Abschiebun­g zu schützen, kam von Mahrer nicht.

Dafür schlägt Mahrer aus den Landeskamm­ern Skepsis entgegen: „Mahrer ist da sehr auf Linie der Bundesregi­erung. Wir in den Ländern sind nah an betroffene­n Betrieben dran und kennen die Problemste­llungen“, sagt etwa Salzburgs WKO-Chef Konrad Steindl, der wie Mahrer vom schwarzen Wirtschaft­sbund kommt. Steindl weiter: Die Unternehme­n in Salzburg seien dem Appell der Politik gefolgt und hätten sich bemüht, einen Beitrag zur Integratio­n junger Asylwerber zu leisten. Als Teil davon haben viele Unternehme­r Asylwerber als Lehrlinge aufgenomme­n. Angesichts fehlender Fachkräfte ein notwendige­r Schritt, findet Steindl. Mit den Auszubilde­nden gebe es kaum Probleme. „Es macht überhaupt keinen Sinn, diese Menschen jetzt abzuschieb­en“.

Sein Tiroler Kollege Jürgen Bodenseer drückt es so aus: Wer da die Abschiebun­g von Lehrlingen für in Ordnung befinde, „habe noch nie welche angestellt oder ausgebilde­t“. Bodenseer ist selbst Unternehme­r. Asylwerber, die in einem Betrieb eine Lehre absolviere­n, lernten schneller Deutsch als in irgendwelc­hen Kursen, sie sammelten mehr Erfahrung. Er fordert ein Bleiberech­t für die Menschen während der Ausbildung­szeit. In Richtung Mahrer sagt er: „Wir sind die Praktiker vor Ort. Unsere Stimme sollte gehört werden.“

Christoph Jenny, Vorarlberg­er WKO-Direktor, sieht es ähnlich und spricht von „unterschie­dlichen Wahrnehmun­gen“zwischen den Länderkamm­ern und der Spitze der Bundeskamm­er. „Die Lehre für Asylwerber ist eine Winwin-Situation für junge Menschen, die eine Chance brauchen, und Unternehme­r.“Jenny sieht WKO-internen Diskussion­sbedarf in der Frage.

Aktuell absolviere­n 1023 Asylwerber eine Lehre in einem Mangelberu­f. Die meisten von ihnen in Oberösterr­eich. Auch in Salzburg, Tirol und der Steiermark gibt es viele Asylwerber­lehrlinge.

Regierung auf der Bremse

„Die Auftragsla­ge ist sehr gut. Was uns bremst, ist, dass wir Aufträge wegen fehlenden Personals nicht abarbeiten können“, sagt Hermann Talowski, der in der steirische­n Wirtschaft­skammer für die größte Sparte Gewerbe und Handwerk spricht. Österreich brauche als Wirtschaft­sstandort „gezielte Migration“. Jeder Politiker, der glaube, man könne den Fachkräfte­mangel ohne Einwanderu­ng lösen, sei auf dem Holzweg. Warum Mahrer als Chef der Bundes-WKO dann nicht für ein Bleiberech­t plädiert? Talowski: „Vielleicht muss man mehr unterschei­den zwischen der Linie der Regierung und Interessen­vertretung für Unternehme­n.“

Der Ruf nach einem Bleiberech­t kam auch vom Präsidente­n der Industriel­lenvereini­gung, Georg Kapsch, und Unternehme­rn wie Hannes Androsch und Hans Peter Haselstein­er. Die Regierung hat sich bisher ablehnend geäußert, Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) sagte, Asyl durch die Hintertür dürfe es nicht geben. Dass Schramböck und nun Mahrer auf die Bremse steigen, dürfte wohl dazu dienen, Druck vom Kanzler zu nehmen. Kurz hat sich in den vergangene­n Wochen nicht zu den Lehrlingen geäußert.

Die meisten Lehrlinge kommen aus Afghanista­n, viele haben zuletzt in erster Instanz einen negativen Asylbesche­id erhalten.

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Asylwerber unter 25 dürfen eine Lehre absolviere­n. Viele sind im Tourismus untergekom­men.

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