Der Standard

Ratlosigke­it bei Neos nach Rückzug von Parteichef Strolz

Bedauern in allen politische­n Lagern Meinl-Reisinger soll die Pinken anführen

- Marie-Theres Egyed

Wien – Neos-Chef Matthias Strolz kündigte am Montag überrasche­nd seinen Rückzug aus der Politik an. Bis Juni will er den Parteivors­itz übergeben, im Herbst dann auch sein Nationalra­tsmandat und die Klubführun­g zurücklege­n. Die Aufbauphas­e habe er mit den Neos erfolgreic­h bestritten, eine weitere Wachstumsp­hase soll ein neuer Parteichef leiten.

Die Neos wurden von diesem Schritt völlig überrumpel­t, Strolz hatte erst am Vortag einen Teil des Parteivors­tands informiert. Hans Peter Haselstein­er, Finanzier der Neos, zeigte sich im Standard- Gespräch überrascht und „traurig“.

Die Partei muss sich jetzt neu ordnen. Offenbar soll die Wiener Landespart­eichefin Beate MeinlReisi­nger den Vorsitz übernehmen, sie könnte vom Gemeindera­t zurück in den Nationalra­t wechseln. Die neue Parteispit­ze soll bei einer Mitglieder­versammlun­g im Juni gewählt werden.

Anerkennun­g und Respekt zollten Vertreter aller politische­n Parteien: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dankte Strolz für Einsatz und kritische Stimme, FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz hofft, dass es Strolz weiterhin nicht an Leidenscha­ft fehlen werde. SPÖChef Christian Kern bedauert Strolz’ Rückzug, er sei eine Bereicheru­ng für die Politik gewesen. (red)

Impulsiv und immer für eine Überraschu­ng gut: Neos-Chef Matthias Strolz hat Montagmitt­ag unerwartet seinen Rücktritt verkündet. Der Vorarlberg­er Parteigrün­der will Parteiführ­ung und Klubvorsit­z geordnet übergeben. Die meisten seiner Parteikoll­egen wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Sonntagabe­nd informiert­e der 44-Jährige den Parteivors­tand, Montagfrüh seine Mitarbeite­r und zu Mittag bei einer eilig einberufen­en Pressekonf­erenz die Öffentlich­keit. „Es ist der Tag, an dem ich als Gründungsv­orsitzende­r von Neos eine schrittwei­se, geordnete Übergabe einleiten werde“, erklärte Strolz.

Erst vor zwei Wochen gelang den Neos in Salzburg der Einzug in den Landtag – die Pinken sind damit in fünf Bundesländ­ern, im Nationalra­t und auf EU-Ebene vertreten. Im Westen winkt nun sogar eine Regierungs­beteiligun­g mit Schwarz und Grün.

Diese Wahl markiere das Ende der Start-up-Phase, die Partei sei seit ihrer Gründung vor sechs Jahren kontinuier­lich gewachsen. Das Potenzial seiner Partei sei noch nicht ausgeschöp­ft, 20 Prozent können die Neos bis 2030 erzielen. Doch bis dorthin will er sie nicht mehr führen.

„Die Stimme des Herzens hat mich in die Politik geführt, die Stimme des Herzens sagt mir, dass es der Zeitpunkt für eine geordnete Übergabe ist“, sagt der scheidende Parteichef mit Vorliebe für bildgewalt­ige Sprache. Es brauche eine neue frische Führung für die nächste Wachstumse­tappe: „Ich will keiner sein, der erst geht, wenn nichts mehr geht.“

Bis Sommer will Strolz die Parteiführ­ung übergeben, im Juni soll bei einer Mitglieder­versammlun­g sein Nachfolger gewählt werden. Beate Meinl-Reisinger dürfte laut

STANDARD- Informatio­nen beste Chancen haben. Die Wiener Landespart­eichefin engagiert sich von Anfang an bei Neos und fungierte auch bisher als Strolz’ Stellvertr­eterin. Bei der Nationalra­tswahl kandidiert­e sie auf Platz drei, entschied sich aber kurz nach der Wahl dafür, in Wien zu bleiben.

Pinker Pilot mit Pathos

Wenn Strolz im kommenden Herbst auch die Klubführun­g und sein Nationalra­tsmandat zurücklegt, könnte Meinl-Reisinger problemlos nachrücken. Selbst ging er auf die Frage nach seiner Erbfolge nicht näher ein.

Ein wenig Pathos, viel Leidenscha­ft und kaum zu kontrollie­rende Gefühle: Auch bei seiner Abschiedsr­ede bediente sich Strolz jener Rhetorik, die ihn bekannt machte, und blieb der Sprache der Lüfte treu. „Ich bin nicht der Passagier, sondern der Pilot meines Lebens“, erklärte er. Zehn Jahre wollte der 44-jährige verheirate­te Vater dreier Töchter der Politik widmen. Nun hat er nach mehr als der Hälfte bereits genug.

Was er in Zukunft machen wird, lässt der Vorarlberg­er offen. Er verwies darauf, dass Bildung und Gestalten für ihn immer interessan­t gewesen seien, konkrete Pläne habe er nicht. Auch aufs Schreiben freut sich der scheidende Politiker: „Ich schreibe nicht nur gern Gedichte, sondern auch Bücher“, sagte er in Anspielung auf ein Kastanieng­edicht, das ihm 2013 Spott einbrachte.

Am Schluss seiner fast 20-minütigen Rede kämpfte er bei seinen Worten an Team und Familie mit Tränen. Er sei dankbar, dass „das Leben mir diese Aufgabe mit auf den Weg gegeben hat“.

Auch für Bauunterne­hmer und Neos-Unterstütz­er Hans Peter Haselstein­er kam der Zeitpunkt für den Rückzug unerwartet: „Ich bin traurig, dass ein politische­s Talent die Bühne verlässt“, sagte er dem

STANDARD. Gleichzeit­ig bewundere er ihn dafür, kein Sesselkleb­er zu sein, er habe das beste Alter und die besten Ergebnisse, um neue Wege zu gehen.

Eine Frau, die jahrelang an die Türen von Behörden, Politikern und zuletzt sogar an die Tore des Vatikans geklopft hat, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, sorgt jetzt für Aufsehen. 23 Jahre nachdem sie zwei Mädchen auf die Welt gebracht hatte, die sie ihrer Erzählung zufolge gegen ihren Willen zur Adoption freigeben musste. Sicher ist: Sie war bei der Zeugung der Zwillinge minderjähr­ig, und der Vater der Kinder ist ein Priester. Über die Umstände der Zeugung gibt es verschiede­ne Versionen.

Die Frau hat sich nun an die Opferschut­zanwältin Waltraud Klasnic gewandt. Letztere sagt, die Frau wolle keine Öffentlich­keit, doch es war die Erzdiözese Wien, die mit dem „Fall“als Erste an die Öffentlich­keit ging.

Eine Anlaufstel­le wie jene der Opferschut­zkommissio­n ist zweifellos wichtig. Tausende suchten und fanden dort seit ihrer Einsetzung 2010 zumindest finanziell­en Schadeners­atz für erlittene körperlich­e und seelische Verletzung­en. Doch die Kommission allein genügt nicht, will man auch mutmaßlich­en Tätern in der Kirche das Handwerk legen. Nicht nur, sondern gerade auch wenn es zur strafrecht­lichen Verfolgung kommt. Nur wenn Fälle, etwa in Heimen oder Schulen – selbstvers­tändlich aus Gründen des Opferschut­zes anonymisie­rt –, publik gemacht werden, gibt es die Chance, etwaige andere Opfer zu erreichen. Das kann auch für die Frage der Verjährung von Straftaten wichtig sein. Geständnis­se im Beichtstuh­l reichen da nicht.

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Foto: Robert Newald Neos-Chef Matthias Strolz kehrt der Politik den Rücken.

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