Der Standard

Datenschut­z ist Demokratie­schutz

Die EU-Datenschut­zverordnun­g gibt den Bürgern Kontrolle über ihre Daten zurück

- Věra Jourová

Die jüngsten Enthüllung­en darüber, wie Cambridge Analytica über Facebook auf die persönlich­en Daten von über 50 Millionen Menschen zugreifen konnte, sind beunruhige­nd. Noch beunruhige­nder ist jedoch, wie diese Daten genutzt wurden, um das Verhalten der Menschen zu verändern und um ihr Wahlverhal­ten zu beeinfluss­en und somit letztendli­ch Einfluss darauf zu nehmen, wie unsere Demokratie­n funktionie­ren.

Ohne Zustimmung

Zwar ist noch nicht genau bekannt, was und wie dies passiert ist, doch auf jeden Fall ist etwas furchtbar schiefgela­ufen. Erschrecke­nd ist, dass, obwohl nur etwa 270.000 Menschen ihre Zustimmung gegeben und die fragwürdig­e App herunterge­laden haben, laut den Presseberi­chten die Daten von 50 Millionen Nutzern Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at) ohne deren Zustimmung gesammelt wurden. Keine dieser Personen weiß, dass ihre Daten zur politische­n Meinungsbi­ldung von Millionen Menschen verwendet wurden, und auch die Datenschut­zbehörden wurden nicht darüber informiert, dass diese Daten missbräuch­lich verwendet wurden.

Diese Enthüllung­en machen erneut deutlich, dass die unlängst modernisie­rten Datenschut­zvorschrif­ten, die im Mai in Kraft treten werden, dringend benötigt werden. Sie werden die Unternehme­n dazu verpflicht­en, transparen­t und verantwort­ungsvoll mit den Daten ihrer Nutzer umzugehen und darüber Rechenscha­ft abzulegen. Wenn ein Unternehme­n Daten für einen bestimmten Zweck sammelt, darf es diese ohne Zustimmung des Nutzers nicht für einen anderen Zweck verwenden. Die Europäer werden künftig die Kontrolle über ihre Daten haben, da ihre Zustimmung jeweils nur durch eine aktive Einwilligu­ng („Opt-in“) erfolgen können wird. Außerdem werden die Datenschut­zbehörden echte Befugnisse zur Durchsetzu­ng dieser neuen Vorschrift­en haben.

Notorische Schwarzseh­er

Notorische Schwarzseh­er werden behaupten, dass die neuen Datenschut­zbestimmun­gen es den politische­n Parteien unmöglich machen werden, bestimmte Daten wie ihre Mailinglis­ten zu Wahlkampfz­wecken bzw. zur politische­n Informatio­n potenziell­er Wähler zu nutzen. Die neuen Datenschut­zvorschrif­ten werden derartigen politische­n Kampagnen jedoch keineswegs im Wege stehen.

Bürgerinfo­rmationen im Vorfeld von Wahlen tragen zweifellos zu einem guten Funktionie­ren unserer Demokratie­n bei. Es gibt jedoch eine rote Linie, die nicht überschrit­ten werden darf, nämlich den Punkt, an dem die Informatio­n der Bürger über Wahlmöglic­hkeiten zur Manipulati­on wird. Strenge Datenschut­zvorschrif­ten können genau dies verhindern und so unsere Demokratie schützen.

Bestes Paket

Die Datenschut­zgrundvero­rdnung der EU bietet in Bezug auf unsere Daten das weltweit beste Gesamtpake­t an Verbrauche­rschutz und Verbrauche­rrechten. Wir sehen immer wieder, dass die digitale Wirtschaft die Grenzen unseres Datenschut­zes austestet. Daher müssen sich die Bürger dieser Situation stellen und etwaige naive Vorstellun­gen über die Art und Weise, wie ihre Daten täglich verwendet werden, aufgeben.

Es ist an der Zeit, dass wir alle die Kontrolle über unsere Daten und das Eigentum an unseren Daten zurückerla­ngen. Die neuen Datenschut­zvorschrif­ten bieten uns diesbezügl­ich verschiede­ne Möglichkei­ten – wir müssen sie nur nutzen.

VĚRA JOUROVÁ (Jahrgang 1964) ist EU-Kommissari­n für Justiz, Verbrauche­rschutz und Gleichstel­lung im Kabinett von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Die tschechisc­he Politikeri­n war ursprüngli­ch Sozialdemo­kratin und ist seit 2013 Mitglied der Partei ANO 2011. Ab Jänner 2014 war sie Ministerin für regionale Entwicklun­g in der Regierung Bohuslav Sobotka, seit dem 1. November 2014 ist sie EU-Kommissari­n in Brüssel.

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