Tote bei Geiselnahme in Südfrankreich
Mann schoss in Supermarkt um sich und nahm Geiseln – Premier spricht von Terror
Der Anschlag erfolgte aus heiterem Himmel. Ein 25-jähriger Mann, der der Polizei wegen Drogendelikten und zudem als „radikalisiert“bekannt war, startete am Freitagmorgen in Carcassonne in Südfrankreich einen Amoklauf, der erst mit seinem Tod endete. Zuerst hielt er einen Wagen an, mit Schüssen verletzte er den Fahrer und tötete die Beifahrerin. Auf seiner Fahrt schoss er anschließend auf vier Jogger der französischen Bereitschaftspolizei CRS, wobei er einen schwer verletzte.
Danach fuhr der Mann, der laut Medien aus Marokko stammen soll, in den kleinen Ort Trèbes und hielt vor dem Supermarkt „U“. Er schoss im Geschäft um sich und tötete zwei Kunden, rund ein Dutzend wurde verletzt. Er sei „ein Soldat von Daesh“, der Terrormiliz „Islamischer Staat“, erklärte er. Der IS beanspruchte die Tat später für sich.
Der Täter nahm dann mehrere Geiseln und verlangte die Freilassung von Salah Abdeslam, dem einzigen noch lebenden mutmaßlichen Attentäter der Anschläge von Paris von 2015, dem derzeit in Belgien und später auch in Frank- reich der Prozess gemacht wird.
Im Zuge der telefonischen Verhandlungen mit Antiterroreinheiten kam das Angebot der Eliteeinheit GIGN, eine Geisel zu ersetzen.
Der Attentäter nahm das Angebot an, merkte in der Folge aber nicht, dass das auf den Tisch gelegte Handy des Polizisten eingeschaltet war. Damit konnte die Einsatzleitung vor dem Supermarkt mithören, was im Inneren vorging. Nach etwa drei Stunden gab sie den Einsatzbefehl – offenbar, als der Attentäter um sich schoss. Der Elitepolizist wurde dabei schwer verletzt, der Attentäter durch Polizeischüsse getötet.
Neue Bedrohungen
Diese Schilderung machte Innenminister Gérard Collomb kurz nach Ende der Geiselnahme vor Ort. „Niemand hätte gedacht, dass hier in dieser ruhigen Gemeinde jemals so etwas passieren würde. Aber die Bedrohung bleibt überall präsent.“Beim EU-Gipfel in Brüssel erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron, er habe nie verhehlt, dass die Terrorbedrohung in Frankreich groß bleibe, auch wenn sich ihr Gesicht gewandelt habe: Im Unterschied zu den Pariser Anschlägen von 2015, die aus Syrien gesteuert gewesen seien, „schreiten heute gefährliche Individuen von sich aus zur Tat“. Viele seien auch psychiatrisch registriert und leicht beeinflussbar.
Die Geiselnahme von Trèbes erinnert die Franzosen schmerzhaft an die Szenen vor zwei Jahren im jüdischen Supermarkt „Hyper Cacher“in Paris-Vincennes, bei dem vier Menschen getötet wurden.
„Wenn die öffentliche Meinung glaubte, dass die Attentate hinter uns lägen, täuschte sie sich“, erklärte der Terrorismusexperte und frühere Linksabgeordnete Sebastien Pietrasanta. Die Zeitung Le Figaro hatte kürzlich berichtet, dass das ländliche Departement Tarn nördlich von Carcassonne zu den Gegenden mit dem höchsten Anteil von Jihadisten gehöre.
In den vergangenen Monaten war es in Frankreich zwar in Sachen Attentate ruhig geblieben. Wie der offenbar allein lebende mutmaßliche Attentäter in Trèbes hatten allerdings radikalisierte Einzeltäter mit einem Messer in Marseille oder mit einem Hammer in Paris Zivilisten attackiert. Dazu verhinderte die französische Polizei nach eigenen Angaben zwanzig Anschläge im Verlauf des Jahres 2017.