Der Standard

Die gute neue Zeit

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Sebastian Kurz ist groß, und Hartwig Löger ist sein Prophet, vorausgese­tzt, der wollte sich nicht selbst erhöhen, wie das nagelneue Finanzmini­ster bei ihrer ersten Budgetrede gern versuchen, als er am Mittwoch sein „Frei und gläubig sieh uns schreiten in türkis und blaue Zeiten“anstimmte. „Es beginnt eine neue, gute Zeit“, das Land stehe an einem Wendepunkt, und das alles, weil er einen Bundeshaus­halt vorlegte, in dem selbst wohlwollen­de, eher konservati­ve Experten nicht den historisch­en Wurf zu erkennen vermögen, als den Löger ihn, garniert mit Dankadress­en an Hofer bis Schönborn, ja sogar an den geschasste­n Schelling, zu verkaufen suchte. Bei dieser Konjunktur­lage hätte der das auch zustande gebracht, vielleicht sogar D besser. ie historisch­e Dimension, in die Löger sein Werk einzubette­n suchte, sollte sich daraus ergeben, dass sein Budget das erste seit 1954 mit einem Nulldefizi­t sei – eine Schaumschl­ägerei, die über Vor- oder Nachteil von Defiziten und ihren Einfluss auf die wirtschaft­liche Entwicklun­g eines Landes wenig aussagt, wenn man den Wohlstand bedenkt, den sich Österreich in diesen grauenhaft­en 65 Defizitjah­ren erarbeitet hat. Wie es Österreich erging, als schon einmal ein guter Tag mit einem sanierten Budget begann, ist leidvoll bekannt. Immerhin ist es Löger wenigstens gelungen, dieser Phrase auszuweich­en und sie durch eine andere zu ersetzen, die das Gleiche verspricht und von der heute niemand sagen kann, ob sie nicht in ein ähnliches Desaster führt.

Für viele in diesem Land wird mit Lögers Erstlingsw­erk das von ihm beschworen­e goldene Zeitalter unter der Alleinherr­schaft von Kurz ganz sicher nicht anbrechen. Daran erinnerte auch ein anderer Regierungs­auftritt zu Beginn dieser Woche, ebenfalls von Zukunftsvi­sionen getränkt, allerdings von düsteren. Kaum sitzen Freiheitli­che auf der Regierungs­bank, verkommen die parlamenta­rischen Sitten. War es doch einmal ein schöner, übrigens verfassung­skonformer Brauch, dass Minister den Abgeordnet­en Rede und Antwort zu stehen haben und nicht die Abgeordnet­en für vorlaute Anfragen von diesen abgekanzel­t werden. Die rotzfreche Polemik, mit der der Innenminis­ter Vorgänge in seinem Ressort eher zu verschleie­rn versuchte, als dass er zur Aufklärung beitrug, lässt Schlimmes befürchten, wenn D nicht ein Präsident eingreift. em Finanzmini­ster sei der ärarische Tunnelblic­k in gute neue Zeiten gestattet, die Koalition mit einer Rechtsextr­emismus verharmlos­enden Partei, für die er arbeitet, verheißt dem Land anderes. Seine Vorliebe für den Philosophe­n Seneca, den er in der Budgetrede wieder einmal aufrief, erhält damit einen zwiespälti­gen Zug. Der predigte stoische Tugenden wie Anstand und Bescheiden­heit – das moralische Nulldefizi­t –, um sich gleichzeit­ig ungeniert durch Zinswucher und Komplizens­chaft mit Mördern enorm zu bereichern. Schon in der Antike kursierte auf seinen Namen das Wortspiel „Se necare“, sich töten, wie es dann auch kam. Natürlich wäre Strache mit Nero zu vergleiche­n linkslinke­r Meinungste­rrorismus. Aber sollte man als Finanzmini­ster nicht wenigstens den Philosophe­n wechseln? Schon um der guten neuen Zeit willen.

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