Der Standard

Kurz bei Putin

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Zu den Mantras, die Kanzler Sebastian Kurz immer wieder herunterbe­tet, gehört dieses: „Friede in Europa ist D nur mit Russland möglich.“as klingt ungemein plausibel und soll aussagen, dass Österreich der Meinung ist, man (die EU) solle Russland mehr entgegenko­mmen; unterstell­t aber eigentlich, dass ohne Russland der Frieden gefährdet ist, ja dass von Russland eine Gefahr für den Frieden in Europa ausgeht. Man müsse es daher einbeziehe­n, um nicht zu sagen beschwicht­igen, damit es nicht auf blöde Ideen kommt.

Tatsächlic­h ist Wladimir Putins Russland der einzige Friedensst­örer in Europa, seit Jugoslawie­n in blutigen Kriegen auseinande­rgebrochen ist. Putin betreibt eine Spaltungsu­nd Desinforma­tionspolit­ik gegenüber der Europäisch­en Union. Das Modell der EU, einer liberalen Demokratie mit Marktwirts­chaft, ist eine Gefahr für sein Modell der autoritäre­n, gelenkten „Demokratie“mit de facto staatliche­r Freunderlw­irtschaft. Putin bedient sich dazu eines immens aufwendige­n Propaganda- und Desinforma­tionsappar­ats, er unterstütz­t rechte und rechtspopu­listische Parteien in Europa (siehe Freundscha­ftsvertrag mit der FPÖ) und greift auch direkt in Wahlen ein. Russische Manipulati­on bei der Wahl von Trump wurde bereits nachgewies­en.

Ganz konkret und physisch bedroht Putin den Frieden durch seine Unterstütz­ung der Separatist­en in der Ostukraine, seit seine Marionette Janukowits­ch als ukrainisch­er Präsident davongejag­t wurde.

All das wird gern verdrängt und verharmlos­t von den „Putin-Verstehern“im Westen, die zwischen zynischer Kolla- boration und/oder entsetzlic­her Naivität oszilliere­n.

Putin und die jetzige russische Führung und großteils auch das russische Volk denken nach wie vor in Einflusssp­hären. Putin will nicht wahrhaben, dass sich ehemalige Teile des Sowjetimpe­riums wie eben die Ukraine emanzipier­t haben. Er bietet er den Europäern immer wieder an, man könne sich ja in einem großen Deal auf Einflussgr­enzen einigen, und versucht zugleich, Länder wie Ungarn, Tschechien, Bulgarien oder Serbien aus der EUPolitik herauszubr­echen.

Und selbstvers­tändlich hat Putin auch registrier­t, dass Österreich unter der türkisblau­en Koalition versucht, in der EU zwischen dem Merkelund dem Orbán-Kurs irgendwie einen „dritten Weg“zu finden. Kurz nennt das „Brückenbau­en“. Das sollte allerdings nicht dazu führen, dass Österreich (noch mehr) zu einem Brückenkop­f für russische Machtausüb­ung wird.

Selbstvers­tändlich soll Österreich ein gutes Verhältnis zu Russland anstreben. Das ergibt sich schon aus den historisch­en Beziehunge­n seit dem Staatsvert­rag 1955. Auch die wirtschaft­lichen Beziehunge­n S sind sehr gut. oweit abzusehen, geht Kurz mit einer Doppelstra­tegie nach Moskau: Er will zu einem besseren Verhältnis auch der EU zu Russland beitragen, aber gleichzeit­ig nicht die EU-Politik (Sanktionen wegen der Ostukraine) unterlaufe­n. Das wird schwierig, weil einerseits Merkel und Macron schon selbst eine Gesprächsb­asis mit Putin haben, anderersei­ts starke Kräfte in der FPÖ und in der heimischen Wirtschaft für eine Aufhebung dieser Sanktionen sind. Es wird viel Können des jungen Kanzlers verlangen, für weiterhin gute Beziehunge­n zu sorgen, sich aber nicht vereinnahm­en zu lassen. hans.rauscher@derStandar­d.at

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