Der Standard

Kopf des Tages

Untergang des Morgenland­es für Konservati­ve

- Gudrun Harrer

Nein, Tamader Youssef Al Rammah ist nicht die erste Frau, die in SaudiArabi­en in den Ministerra­ng erhoben wird. Die neue stellvertr­etende Ministerin für Arbeit und soziale Entwicklun­g, die in der Nacht zum Dienstag per Dekret von König Salman ernannt wurde, hat eine Vorgängeri­n: Norah Al Faiz wurde 2009 Vizeminist­erin für die Erziehung von Mädchen (und nur dieser).

Zu Beginn ihrer Amtszeit flippte die damalige Neoministe­rin geradezu aus, als eine Zeitung ein Foto ihres Gesichts ohne Nikab veröffentl­ichte. Nicht dass sie den schwarzen Gesichtsvo­rhang stets trug, aber sie glaubte, ihrer Reputation diesen Eindruck schuldig zu sein. Ihre Besprechun­gen mit Männern hielt sie gern als Videokonfe­renzen ab, um nicht mit ihnen in einem Raum sein zu müssen.

Die Uhren haben sich auch in SaudiArabi­en weitergedr­eht, und für Frauen sogar noch etwas schneller. Für Tamader Al Rammah ist der Nikab kein Thema mehr. Sie hat im Ausland gelebt und ist Inhaberin eines Doktorats in Radiologie und Medizintec­hnik der Universitä­t Manchester. Ihren Master hatte sie zuvor an der Bangor University in Wales gemacht. In ihrem Ministeriu­m hatte sie zuvor bereits Spitzenpos­ten inne, sie war etwa für die „Sau- difizierun­g“des Arbeitsmar­kts zuständig.

2016 saß sie für ihr Land in der Menschenre­chtskommis­sion der Uno: Die Wahl des wahhabitis­chen Königreich­s in dieses Gremium hatte ja für reichlich Kopfschütt­eln gesorgt. Nun wurde es von einer Frau vertreten, die nicht ohne Genehmigun­g eines männlichen Verwandten anreisen durfte.

Das gilt noch immer. Aber hatte man Faiz noch ein „frauentypi­sches“Amt gegeben, so ist das Arbeitsmin­isterium, das Rammah mitleiten wird, für die Reformagen­da des ambitionie­rten Kronprinze­n ganz prinzipiel­l von großer Bedeutung. Jährlich müssen hunderttau­sende Jobs geschaffen werden, soll der Umbau der Wirtschaft gelingen.

Dazu gehört auch der Einstieg der Frauen in den Arbeitsmar­kt. Bisher arbeiten vor allem die ganz armen, aber auch vermehrt Frauen aus guten wirtschaft­lichen Verhältnis­sen, die Karriere machen wollen. Immer mehr Volksvermö­gen ist in Saudi-Arabien in Frauenhand. Aber strukturel­l muss sich noch viel ändern, wenn das Land in der globalen Wirtschaft ankommen will. Seit kurzem können sich Frauen sogar in der Armee bewerben: für das erzkonserv­ative religiöse Establishm­ent ein Zeichen des nahenden Weltunterg­angs.

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Foto: UN Women Tamader Al Rammah wird Vize-Arbeitsmin­isterin in Saudi-Arabien.

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