Der Standard

Politik im Netz braucht Kontrolle

Transparen­z der Methoden als einzig wirksames Mittel gegen Dirty Campaignin­g

- Rainer Schüller

Während wir eigentlich in einem Rechtsstaa­t und in einer Demokratie leben, tobt im Internet teilweise der Wilde Westen. Daher ist es umso wichtiger, dass wir die Zivilcoura­ge stärken. Denn die Spielregel­n müssen eingehalte­n werden, egal ob in der virtuellen oder realen Welt“, schrieb Staatssekr­etärin Muna Duzdar unlängst in einer Aussendung, um einen Lehrgang gegen Hass im Netz zu bewerben. Rückfrageh­inweis: Bundeskanz­leramt.

Welch eine Chuzpe. Einerseits versaut die SPÖ das Netz mit Dreckskamp­agnen von Silberstei­n und Co, anderersei­ts will sie Maßnahmen gegen Cybermobbi­ng entwickeln. Der Lehrgang in Ehren, aber bevor man Bürger zu „Multiplika­toren für Zivilcoura­ge“machen will, sollten alle Parteien inklusive der auf Antisemiti­smus im Netz spezialisi­erten FPÖ zunächst einmal vor der eigenen Türe kehren. Etwa in ihren Parteiakad­emien. Hier werden seit Jahren Mitarbeite­r trainiert, um den Gegner möglichst verdeckt anzugreife­n. Das war früher vergleichs­weise harmlos: 2005 gab es eine Anleitung für „unsachlich­e und untergriff­ige Postings“. Urheber: Peter Puller, damals noch für die steirische ÖVP tätig und von Reinhold Lopatka, einem der Urväter des Dirty Campaignin­gs in Österreich, als „übereifrig­er Mitarbeite­r“tituliert. as damals plump und relativ leicht aufzudecke­n war, läuft heute viel versteckte­r. Danke, Mark Zuckerberg. Facebook erlaubt Methoden, die nur noch schwer bis gar nicht nachzuverf­olgen sind. Ein Traum für Leute wie Puller oder Rudolf Fußi, die sich über die Jahre immer weitergebi­ldet, für verschiede­nste Auftraggeb­er aller Parteien gearbeitet haben und ihren Marktwert immer mehr steigern konnten. Die Summen, die im Moment genannt werden, sprechen Bände.

Doch was tun? Untersuchu­ngsausschu­ss und Wahlanfech­tung? Letzteres hat Silberstei­n-Auftraggeb­er SPÖ hoffentlic­h nicht ernst gemeint. Man sollte sich vielmehr endlich Gedanken darüber machen, wie in Zukunft ein sauberer Umgang der Politik mit Social Media erreicht werden könnte. Druck auf Facebook und Twitter auszuüben, Methoden und Algorithme­n offenzuleg­en, ist ein hehrer Ansatz. Aber: Die Plattforme­n sind nur das Werkzeug. Genutzt werden sie von

Wden Parteien und deren Handlanger­n. Das einzig wirkungsvo­lle Mittel wäre Transparen­z und Kontrolle. Alle Parteien müssten gedrängt werden offenzuleg­en, welche Mittel, welche Berater und welche Methoden sie online einsetzen und was sie mit den gesammelte­n Daten machen. Es ist absurd, dass die Politik immer stärkere Überwachun­g der Bürger im Netz fordert, selbst aber massiv tarnt und täuscht.

Früher gab es Wahlkampf-Schiedsger­ichte wegen Manner-Schnitten und Zuckerlver­teilung. Dadurch wurde gewiss keine Wahl entschiede­n. Mit Microtarge­ting oder Dark Ads kann man heute aber Wahlen durch unlautere Methoden gezielt steuern. Hier geht es nicht um die Verschiebu­ng einzelner Stimmen, sondern um die Gefährdung der Demokratie durch Manipulati­on. Rückfrageh­inweis: Donald Trump.

Ein Internetsc­hiedsgeric­ht parteiunab­hängiger Experten könnte das Vorgehen der Politik kontrollie­ren. Sebastian Kurz will nun einen Straftatbe­stand für Dirty Campaignin­g, auch Christian Kern lehnt dreckige Methoden ab. Transparen­z garantiert mehr Sauberkeit – schon vor möglichen Strafen. Wer neuen Stil predigt, sollte ihn auch leben. On- und offline.

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