Der Standard

Viele Whistleblo­wer, kaum Anklagen

Rund 5000 Meldungen durch anonyme Bürger – aber nur 29 Anklagen vor Gericht

- Günther Oswald

Wien – Seit mittlerwei­le mehr als vier Jahren gibt es bei der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft ( WKStA) die Whistleblo­wer-Homepage. Wer glaubt, Informatio­nen über Straftaten zu haben, kann dort anonym eine Meldung machen. Das Angebot wird auch massiv in Anspruch genommen, zeigt die Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage des FPÖ-Abgeordnet­en Hermann Brückl durch das Justizress­ort.

Demnach gab es seit dem Start am 20. März 2013 etwas mehr als 5400 Eingaben. Da zum Teil auch Doppelmeld­ungen dabei waren, wurden bisher (Stand 31. März 2017) 4976 Fälle als „statistisc­h relevant“eingestuft. Im Schnitt gibt es also jeden Tag mehr als drei Meldungen von besorgten Bürgern.

Wie die Anfragebea­ntwortung zeigt, kommt aber nur ganz selten etwas Hieb- und Stichfeste­s dabei heraus. Von den knapp 5000 Meldungen wurden nämlich nur 838 Verdachtsf­älle an die zuständige­n Staatsanwa­ltschaften weitergele­itet. Beim Rest war also schon auf den ersten Blick klar, dass die Suppe zu dünn ist. Formelle Ermittlung­sverfahren (hier gibt es einen ausreichen­den Anfangsver­dacht) wurden dann nur noch in 533 Fällen eingeleite­t. In weiteren 68 Fällen gab es neue Hinweise für bereits laufende Verfahren.

Großteil wird eingestell­t

Und was kam dann am Ende heraus? Die überwiegen­de Mehrheit der Ermittlung­sverfahren wurde eingestell­t (415) oder abgebroche­n (elf). In sechs Fällen kam es zu einer Diversion, die Staatsanwa­ltschaft stellte das Verfahren also gegen Erfüllung bestimmter Leistungen ein. Lediglich in 29 Fällen kam es tatsächlic­h zu einer Anklage vor Gericht, dazu kommen noch elf Anklagen in Causen, die der Justiz bereits bekannt waren. Der Rest wurde noch nicht entschiede­n.

Das heißt also: Lediglich 0,6 Prozent der Whistleblo­wer-Meldun- gen führen tatsächlic­h zu einer Anklage (die Zahl der Verurteilu­ngen liegt noch nicht vor).

Ergibt es also Sinn, einen derart großen Aufwand für vergleichs­weise wenige Anklagen zu betreiben? „Wir finden schon“, sagt Konrad Kmetic von der WKStA im STANDARD- Gespräch. Ein quantitati­ver Vergleich sei in diesem Fall nicht sinnvoll. Die Möglichkei­t, mit Hinweisgeb­ern anonym kommunizie­ren zu können, sei für die Staatsanwä­lte ein „Quantenspr­ung“gewesen.

Aus seiner Sicht ist es auch nicht schlimm, dass der Großteil der Verfahren eingestell­t wird. Allein die Tatsache, dass ein Sachverhal­t geprüft wurde, habe einen demokratie­politische­n Wert, sagt Kmetic. Die Whistleblo­werHomepag­e noch effiziente­r zu gestalten sei schwierig. Führe man eine Art automatisi­erte Vorprüfung ein, sei zu befürchten, dass sinnvolle Hinweise verlorenge­hen, gibt der Oberstaats­anwalt zu bedenken.

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