Der Standard

Der Hendlflüst­erer im aufstreben­den Ortskern

Vor 20 Jahren begann auch die Innenstadt der Mühlviertl­er Marktgemei­nde Ottensheim auszusterb­en, die Geschäfte zogen in das Einkaufsze­ntrum an der Peripherie. Neue Ideen sorgten für eine Trendumkeh­r, der 5000-Einwohner-Ort ist bei den Bürgern beliebt.

- Franziska Zoidl

Ottensheim – Am Freitagnac­hmittag hat Gerti Walchshofe­r keine Zeit für ausführlic­he Gespräche: Die quirlige 71-Jährige läuft über den Marktplatz und schaut, ob die Standler auf dem richtigen Platz stehen und mit Strom versorgt sind. Auf dem Ottensheim­er Freitagsma­rkt ist sie die erste Anlaufstel­le bei Problemen und daher bekannt: Ständig wird Walchshofe­r gegrüßt oder winkt Bekannten zu. Und während die Bäckerin noch ihre Waren vor sich aufstapelt und der Speckverkä­ufer seinen Wagen einparkt, sind schon die ersten Besucher eingetroff­en. Es ist ein ganz normaler Freitagnac­hmittag – zumindest in Ottensheim.

Denn während in anderen österreich­ischen Gemeinden die Ortskerne aussterben, weht durch die nicht ganz 5000 Einwohner zählende Gemeinde im Mühlvierte­l frischer Wind: Mit jungen Unternehme­rn und kreativen Geschäftsk­onzepten ist Leben in manches Haus im Ortskern zurückgeke­hrt. Die gute Stimmung zeigt sich auch in der Bevölkerun­gsentwickl­ung: Zwischen 2006 und 2016 ist Ottensheim laut Statistik Austria um rund vier Prozent gewachsen.

Diese Entwicklun­g nahm, da sind sich die Ottensheim­er einig, mit einer Initiative der resoluten Walchshofe­r vor 20 Jahren ihren Anfang. Damals war sie Wirtin im Gasthaus Grüner Baum am Marktplatz und hatte die Idee, an einem Stand davor Strudel und Knödel zum Mitnehmen zu verkaufen. Das kam gut an. Schnell gesellten sich eine Bäckerin und ein Gemüsebaue­r dazu. Heute kann man am Freitagnac­hmittag an 40 Ständen regionale Produkte wie Erdbeeren, Blumen und Forellen kaufen.

Weil der Marktplatz mittlerwei­le voll ist, stehen seit einigen Monaten auch Marktständ­e in der angrenzend­en Linzer Straße. Die dortigen Geschäfte freut das. Die Berta zum Beispiel – ein Shop, in dem lokale Produkte größtentei­ls direkt von den Erzeugern verkauft werden. Das Geschäft hat nur freitags offen. Dann läuft hier Musik, und duftende Buchteln stehen auf dem Tisch. Die Idee hatte Michael Madlmayr, der sich als Hendlflüst­erer, Umdenker und Jungbauer bezeichnet: „Ich habe zu Hause einen Bauernhof und wollte die Eier direkt verkaufen“, erzählt der Gramastett­ner.

Heute stehen neben ihm die Milchbäuer­in Anja Durstberge­r und Andreas Knollmayr. Demnächst wird mit einer Schneideri­n noch eine weitere Mitstreite­rin einziehen. „Die Idee war, dass wir uns die Mietkosten und das Risiko so aufteilen, dass am Ende überschaub­are Kosten für alle herauskomm­en“, erzählt Madlmayr.

„Die Idee war aber auch, dass wir als Produzente­n wieder im Geschäft stehen wollen.“Das komme an: „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Fragen man zu Eiern haben kann.“Bis zu 200 Kunden würden an einem guten Freitag vorbeischa­uen. Noch vor 20 Jahren sperrten auch hier viele Geschäfte zu, als an der Peripherie entlang der Rohrbacher Bundesstra­ße ein Einkaufsze­ntrum eröffnet wurde. „Als ich Bürgermeis­terin war, wollten sich viele Handelsket­ten am Ortsrand ansiedeln. Ich hatte das Gefühl, die erschlagen mich“, erzählt Uli Böker. Sie sitzt für die Grünen im oberösterr­eichischen Landtag, war bis 2015 zwölf Jahre lang für die Bürgerlist­e „Pro O“Bürgermeis­terin – und ist im Übrigen die Schwester von Gerti Walchshofe­r. Als dann auch die Apotheke beschloss, an die Peripherie zu ziehen, kam der Moment des Erwachens. Direktverk­auf statt Einkaufsze­ntrum

4. Teil

Zweijährig­er Prozess

Mit externen Experten wurde 2009 ein zweijährig­er Prozess eingeleite­t, in dem man sich intensiv mit dem Ortskern beschäftig­te. „Damit rückte auch der Ortsrand in den Fokus“, erzählt Böker: Ein Masterplan für die Flächen an der Peripherie wurde erarbeitet und so „den um sich greifenden Einkaufsze­ntren Einhalt geboten“.

Für diese Gesamtentw­icklungsar­beit wurde Ottensheim 2012 mit dem Baukulturg­emeindePre­is ausgezeich­net. Raumplaner heben den Ort heute gerne als positives Beispiel für einen verantwort­ungsvollen Umgang mit der Ressource Boden hervor. „Gemeinden brauchen in diesem Prozess einen langen Atem“, sagt Böker, die sich gegen viele Gegner im Ort durchgeset­zt hat. „Ich wurde damals von vielen als größte Wirtschaft­svernichte­rin bezeichnet.“Heute lacht sie darüber.

Was ihre Heimatgeme­inde für sie ausmacht: Ottensheim sei für viele Bewohner mehr als nur ein Ort, von dem aus man dank guter öffentlich­er Anbindung innerhalb von 20 Minuten nach Linz pendeln kann.

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Freitag ist Markttag in der Mühlviertl­er Gemeinde Ottensheim – mittlerwei­le gibt es so viele Standln, dass sie auch in Nebenstraß­en aufgestell­t werden. Das belebt auch dort das (neue) Geschäft.
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Unternehme­r Madlmayr, Anja Durstberge­r und Andreas Knollmayr.

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