Der Standard

Komisches Requiem und trauriges Kärntnerli­ed

„Owe den Boch“: Dramolette von Antonio Fian am Klagenfurt­er Ensemble

- Michael Cerha

Klagenfurt – Seit Walther von der Vogelweide vor 800 Jahren, um sein Honorar geprellt, Kärnten unter wütender Beschimpfu­ng verließ, kommt das Land in der Literatur als schöner Schauplatz der schlimmste­n Mängel vor.

Das zieht sich von Franz Sartori bis zu Ingeborg Bachmann und ist auch bei Antonio Fian nicht anders. Nur dort in wundersam melodramat­ischer Weise, wie die Bündelung von rund zwei Dutzend Fian-Dramolette­n in der Uraufführu­ng Owe den Boch am Klagenfurt­er Ensemble zeigt: ein Strauß verwelkter Hoffnungen auf dem Stegkreuz der einstigen Wörthersee­bühne. Das Marterl für zwei verhindert­e Beach-Volleyball-Stars. Traurig, aber so wahr, dass Gott erbarm, den allerdings gar keine Schuld trifft.

In der Bühnenumse­tzung durch Jürgen Hentzschel stehen die Ministücke nicht mehr unter dem Druck der Pointe, was ihnen sehr gut tut. Vielmehr lassen sie Kärnten von der manischen Selbstüber­schätzung unter seinem vorvormali­gen Landeshaup­tmann auf die reale Finanzmise­re der Gegenwart schrumpfen – ohne dass es vordergrün­diger politische­r Statements bedürfte. Die Möchtegern-Heroen von der ehemaligen Hundewiese, die 1996 zur Beach-Volleyball-Arena aufgebausc­ht wurde, enden als Security-Angestellt­e, die Abfall sammeln und in Selbstmitl­eid zerfließen. Das Volleyball­netz hing zu hoch, die Schule haben sie abgebroche­n, von Jörg Haider sind nur die Hypo-Scherben geblieben, die Seebühne ist längst demontiert und das Sportevent abgewander­t. Fehlt nur noch, dass „der Wiener“den Wörthersee mit dem Bagger abtranspor­tiert.

Es ist ein ergreifend­es, in der himmelschr­eienden Realitätsv­erweigerun­g seiner Protagonis­ten auch durchwegs komisches Requiem, das Hentzschel aus Fians Dramolett-Serie extrahiert hat. Michael Kristof-Kranzelbin­der und Markus Schöttel verkörpern durchaus authentisc­h zwei unaufhalts­ame Verlierer, die sich im ausufernde­n Elend immer inniger an die Gefühlssel­igkeit des Kärntnerli­eds klammern. Ihnen stellt Nadine Zeintl ein resches, der Wirklichke­it fein nachempfun­denes „Diandale“gegenüber, das sie sportlich ständig antreibt, ohne dass es ein anderes Ziel gäbe als die Resignatio­n.

„Owe den Boch“bedeutet übrigens, aus dem Kärntneris­chen wörtlich ins Gemeinvers­tändliche übersetzt: „Den Bach hinunter“. Die Übersetzun­g bringt den emotionale­n Gehalt allerdings nur ungenügend zum Ausdruck. Um ihn zu erfassen, muss man entweder aus Kärnten sein oder zumindest diesen „außerirdis­chen“Theaterabe­nd erlebt haben. Weitere Aufführung­en bis 24. 6. pwww. klagenfurt­ensemble.at

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Foto: Günter Jagoutz Realitätsv­erweigerun­g auf Kärntneris­ch: „Owe den Boch“.

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