Der Standard

Beitrittsk­andidat Türkei redet wieder mit der EU

Visa und Zollunion Themen bei Treffen

- Markus Bernath

Ankara/Brüssel – Johannes Hahn nennt es den „Prozess des Wieder-Engagement­s“. Nach monatelang­en Beschimpfu­ngen und Beleidigun­gen, die sich auch direkt gegen den EU-Erweiterun­gskommissa­r richteten, will die politische Führung in der Türkei den Gesprächsf­aden mit der EU nun wieder aufnehmen. In Brüssel treffen sich deshalb heute, Dienstag, Vertreter beider Seiten zunächst auf Ebene der politische­n Direktoren, um mögliche Fortschrit­te bei alten Themen wie Visalibera­lisierung und der Verbesseru­ng der Zollunion auszuloten. Hahn selbst kündigte am Montag einen Besuch in der Türkei noch vor der Sommerpaus­e an.

Ankara schickt für das Treffen die Staatssekr­etäre Selim Yenel und Mehmet Bozay aus dem EU- und dem Außenminis­terium. Yenel, ein früherer Botschafte­r bei der EU-Kommission und in Österreich, gilt als pragmatisc­h und rational. Die regierungs­nahen Medien in der Türkei verlautbar­en bereits seit Tagen positive Erwartunge­n. So soll der Türkei durch eine Aufwertung der Zollunion, die seit 1995 besteht, größerer Zugang zum europäisch­en Markt gewährt werden. Dabei geht es um Agrarprodu­kte, die jetzt noch nicht zollbefrei­t sind, oder um die Teilnahme an öffentlich­en Ausschreib­ungen in der EU.

Juncker verlangt Umdenken

Ob es tatsächlic­h zu einer solchen Aufwertung kommt, ist allerdings offen. Brüssel erwartet ein Umdenken der türkischen Führung, wie EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker in einem Interview mit dem Spiegel deutlich machte. Die türkische Regierung ziele offenbar darauf ab, den EU-Beitritt zu verhindern und Brüssel dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben, sagte Juncker. Auch über die weitere Umsetzung des Flüchtling­sabkommens wird beim Treffen in Brüssel gesprochen werden.

Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte wies am Montag in einer mit Spannung erwarteten Entscheidu­ng die Klage eines entlassene­n türkischen Uni-Dozenten ab. Der Hochschull­ehrer müsse erst alle Rechtsmitt­el im eigenen Land ausschöpfe­n, hieß es in der Begründung. Ankara richtete im Jänner eine siebenköpf­ige Kommission unter Leitung eines Staatssekr­etärs des Justizmini­steriums ein, die sich mit Klagen gegen die Massentlas­sungen befassen soll. Die Kommission arbeitet noch nicht.

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