Zeichen setzen
Die Wahrheit, besagt eine alte Weisheit, ist eine Tochter der Zeit. Es gibt keine Wahrheiten jenseits des Garten Eden, meinte Bob Dylan. „Die Wahrheit is so weiß wie Schnee“, sang Wolfgang Ambros. Ein Blatt weißes Papier repräsentiere Wahrheit, sagt ein chinesisches Sprichwort. Wahrheiten gäbe es angeblich viele. Subjektiv seien sie auch. Papier ist geduldig, heißt es. Mit Sprache zu spielen ist heutzutage fast ein subversiver Ansatz. Einfacher aber als kunstvolles Formulieren von Sätzen ist es, Zeichen zu setzen, Zeichen sprechen zu lassen. Emojis sind das Medium der Zeit. Das entspricht auch politischen Ambitionen. Ganze Volkswirtschaften werden jubeln. Denn Investment in flächendeckende Versorgung des Stimmviehs mit Tablets, Handys und Internetz ist billiger als jede Bildungsreform. Ohne schreiben und lesen zu lernen kann Mensch im Wisch und Weg alles erfahren, was dem Lebensinhalt Brot und Spiele entspricht. Mit Abschaffung des Bargeldes hat man alle Analphabeten perfekt unter Kontrolle – und wenn das Ablaufdatum überschritten ist, wird die implantierte Lebensuhr abgedreht. Zynisch? Vielleicht. Realistisch? Durchaus.
Mit dem Thema Wort und Schrift haben sich nun zwei kritische Geister auseinandergesetzt. Walter Bohatsch entwickelte einige neue Zeichen: Typojis. Fein gewoben, amüsant, illuster und luzid. Sinn und Unsinn aus dem Zusammenhang gerissener, aus Zeitungen ausgerissener Zeilen stellt Klaus-Jürgen Bauer vor. Zur Sache: Sätzchen. Grafisch verfremdet, verändert, kunstvoll ziseliert, in Kooperation mit der Druck- und Medientechnik der Grafischen. Angewandte Buchkunst, erratisch die Zitate: „Wahrheit ist: Der Mensch nimmt den Schwimmstil der Masse an.“Na oisdann. Gregor Auenhammer
Walter Bohatsch, „Typojis“. € 20,00 / 240 Seiten (dt./engl.). Atelier Bohatsch. Verlag Hermann Schmidt, Wien 2017 Klaus-Jürgen Bauer, „Sätzchen“. Layout: Rabold & Co, Grafische Wien. € 13,90 / 240 Seiten. Edition Marlit, Oberwart 2017 Buchpräsentation: Schloß Esterhàzy, Eisenstadt. Mi. 7.6., 18 Uhr