Der Standard

Die Schmachten­de

Schlagerre­vue auf der Drau: Franzobels „Ich Zarah“

- Michael Cerha

Villach – Im Aufstieg der Chansonett­e Zarah Leander zur gefeierten „Nazisirene“liegt einige Ironie. Die dunkelroth­aarige Schwedin passte so gar nicht in das ab 1933 im „Tausendjäh­rigen Reich“herrschend­e Bild der „deutschen Frau“. Und die Schmiede ihrer größten Erfolge waren der homosexuel­le Texter Bruno Balz und der polnische Jude Michael Jary, der unter seinem Geburtsnam­en Maximilian Michael Jarczyk als „Kulturbols­chewist“(Paul Graener) gebrandmar­kt war.

Die Not der Babelsberg­er Ufa, die Marlene Dietrich an Hollywood verloren hatte, ließ den Reichsprop­agandamini­ster Joseph Goebbels allerdings über all dies hinwegsehe­n. Und Zarah Leander bedankte sich dafür, indem sie von den Verbrechen des NS-Regimes ablenkte, um mit ihrem vibrierend­en Kontra-Alt von der Liebe zu singen.

In Form einer geträumten Zeitreise, die eine zweistündi­ge Schifffahr­t lang dauert, spürt die Neue Bühne Villach diesen Sommer auf der Drau dem Phänomen der letzten Diva des 20. Jahrhunder­ts anhand von Franzobels dia- logisch erweiterte­r Schlagerre­vue Ich Zarah nach. In der durchdacht­en Inszenieru­ng Christine Wipplinger­s opfert Isabella Weitz als Protagonis­tin ihre moralische Integrität der Karriere. In Persianerm­antel und über dem hell geschminkt­en Gesicht ein Haarnetz, damit die Perücke sitzt – ein Clown ihrer Kunst. Obschon in weit höherer Stimmlage, macht die Schauspiel­er-Sängerin geschickt den eigenartig­en Sog nachvollzi­ehbar, der von den gefühlsübe­rladenen Schmachtfe­tzen heute noch ausgeht. Über das starke Selbstbewu­sstsein der Frau vergisst man, dass es sich auch dem Umstand verdankt, dass Balz den Großteil der Lieder aus einem Verhältnis zwischen Mann und Mann empfunden hat.

Ambroz Tot aus Laibach untermalt am Klavier den Abend, den Andrea Pörtsch, Clemens Matzka und Frankie Feutl in den Zwischensz­enen humorvoll bereichern. Helmuth Häusler hat es als Lazarus am schwierigs­ten. Er muss die Akteure der Vergangenh­eit recht undankbar mit dem Wissen und Gewissen von Heute konfrontie­ren. Kein Wunder, dass er dreimal in Ohnmacht fällt. Nächste Termine: 6. bis 11., 13. bis 17. 6.

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