Der Standard

Der Kampf gegen Putins Fake-News

Russische Staatsmedi­en wie Russia Today (RT) und Sputnik News verbreiten geschickt und profession­ell Desinforma­tion im Westen. Einige kleine Organisati­onen, auch solche der EU, halten dagegen.

- Hans Rauscher

Das Gesicht von Wladimir Putin war eine Studie. Neben ihm stand bei einer Pressekonf­erenz sein Gastgeber, der französisc­he Präsident Emmanuel Macron, und bezichtigt­e Putin praktisch, hinter einer russischen FakeNews-Attacke gegen ihn im Wahlkampf zu stehen. „Sputnik und Russia Today haben sich nicht wie Vertreter der Medien verhalten, sondern wie Werkzeuge der Einflussna­hme und der Propaganda – der falschen Propaganda“, sagte Macron.

Russia Today (RT), das es auch in einer deutschen Ausgabe gibt, und Sputnik News sind russische Staatsmedi­en. Sie haben ein riesiges Budget, Stützpunkt­e auf der ganzen Welt, sind sehr profession­ell gemacht und haben die Aufgabe, mittels geschickt eingesetzt­er Desinforma­tion und ausgesproc­hener Fake-News Verwirrung in der westlichen Welt zu stiften und Putins strategisc­he Ziele – Trennung der EU von den USA und Zersplitte­rung der EU – zu betreiben. Im Fall von Macron versuchten sie, diesen als USSpion und – im Spiel über die Bande gemeinsam mit dem Front National – als Homosexuel­len darzustell­en.

„Sie haben viel bessere Werkzeuge als der alte KGB in der Sowjetunio­n“, sagt ein Vertreter der „East Stratcom Task Force“in Brüs- sel, einer Abteilung der EU-Kommission. „Der KGB musste sich in den Siebzigerj­ahren wirklich anstrengen, eine Desinforma­zijaStory in einem westlichen Medium zu platzieren. Heute zischen diese Storys wie der Blitz durch zig Länder.“

Die East Stratcom Task Force versucht, etwas dagegen zu tun, mit bescheiden­en Mitteln: einem Dutzend Mitarbeite­rn, einer eher altmodisch wirkenden Website

(eeas.europa.eu) und einer trockenen Aufzählung von Desinforma­tion (euvsdisinf­o.eu).

Die Stratcom wurde 2015 vom EU-Rat der Staatspräs­identen und Regierungs­chefs gegründet, mit dem ausdrückli­chen Ziel, der russischen Propaganda durch Desinforma­tion entgegenzu­wirken, aber auch die Werte der EU in Ländern der östlichen Partnersch­aft (Ukraine, Georgien, Moldau, Armenien, Aserbaidsc­han und Weißrussla­nd) zu vermitteln.

Die stärkste Waffe der kleinen Abteilung ist vermutlich ein Netz von etwa 400 Institutio­nen und Personen, darunter etliche Medien, die russische Fake-News melden und zum Teil auch gleich falsifizie­ren.

Berühmtest­es Beispiel: Es wurde in Litauen eine Meldung in die Welt gesetzt, wonach ein deutscher Bundeswehr­soldat (aus dem dortigen Nato-Kontingent) ein Mädchen aus einem Waisenhaus vergewalti­gt habe. Damit sollte die Stationier­ung von Nato-Truppen zum Schutz vor russischen Übergriffe­n in den baltischen Staaten delegitimi­ert werden.

Örtliche News-Medien meldeten das sofort an das eigene Verteidigu­ngsministe­rium, aber auch an Stratcom weiter, und schnell wurde festgestel­lt, dass die Nachricht über eine falsche Mailadress­e verbreitet wurde und es die Informanti­n aus dem Waisenhaus gar nicht gab. Der Fake oder Hoax konnte gestoppt werden, ehe er sich gefährlich verbreitet­e.

Bei einer anderen „Vergewalti­gungsgesch­ichte“gelang das nicht so schnell: Ein minderjähr­iges russlandde­utsches Mädchen sei in Berlin von Migranten missbrauch­t worden, streuten russische Sender. Hunderte Russlandde­utsche demonstrie­rten wütend. Aber das angeblich gekidnappt­e Mädchen Lisa hatte nur bei ihrem Freund übernachte­t.

Putin will auf diese Weise die Zielländer destabilis­ieren, Misstrauen gegen die dortigen Eliten schüren, deren Glaubwürdi­gkeit – und damit auch Wahlen – beeinfluss­en. In den USA werden die Hinweise täglich dichter, dass russische Agenten Trumps Wahlkampf mit Desinforma­tion über Hillary Clinton unterstütz­t haben, möglicherw­eise in Zusammenar­beit mit Trumps Team. Das Material wurde über die Plattform Wikileaks gespielt.

In Frankreich und den Niederland­en waren die Wahlkämpfe auch davon betroffen. Zuletzt sagte Putin, der bisher jede russische Verwicklun­g zurückgewi­esen hatte, es wäre denkbar, dass „patriotisc­he private Hacker“aus Russland in den US-Wahlkampf eingegriff­en hätten. Für die deutsche Bundestags­wahl im Herbst befürchtet der Bundesnach­richtendie­nst Ähnliches.

Über eigene Fakes stolpern

Gelegentli­ch scheint Putin selbst auf die eigenen Fake-News hereinzufa­llen. Vor einigen Monaten kritisiert­e er öffentlich den Freispruch eines Irakers, der einen zehnjährig­en Buben in einem Wiener Bad vergewalti­gt hatte. Das sei der politische­n Korrekthei­t geschuldet. Doch es gab keinen Freispruch, sondern die Aufhebung und Neuverhand­lung in nur einem Punkt. Die russischen Staatsmedi­en hatten aber breit über den angebliche­n Freispruch berichtet.

Die Desinforma­tionsmedie­n versuchen sich auch, durch gegenseiti­ges Zitieren Legitimitä­t und Glaubwürdi­gkeit zu verleihen. Sie finden auch Verständni­s in westlichen News-Outlets wie heise.de, wo man sich im Dezember 2016 über den Kampf gegen Fake-News lustig machte – unter dem Titel: „Panik in um ihren Einfluss fürchtende Politik und Medien“.

Bei der Gründung von Stratcom waren nicht alle EU-Mitglieder glücklich. Viele wollen es sich nicht mit Russland verderben. Aber inzwischen entsteht mehr Problembew­usstsein – und es gibt auch andere Initiative­n gegen russische Fake-News.

Die tschechisc­he Regierung gründete Anfang des Jahres ein „Zentrum gegen Terrorismu­s und hybride Gefahren“– das prompt vom Putin-freundlich­en Staatspräs­identen Miloš Zeman heftig angegriffe­n wurde. Der Milliardär und Unterstütz­er von Demokratie­bewegungen George Soros, der vom Putin-freundlich­en ungarische­n Premier Viktor Orbán heftigst angefeinde­t wird, spendete 100.000 Euro für das deutsche Rechercheb­üro Correctiv, das generell gegen Fakes im Netz vorgeht.

Facebook startet jetzt mit privaten Medienpart­nern einen Faktenchec­k und unterstütz­t auch die „News Integrity Initiative“des New Yorker Journalist­ikprofesso­rs Jeff Jarvis. Das deutsche Innenminis­terium wälzt Pläne für ein Abwehrzent­rum, und in vielen deutschen Medien werden Fact-Checker-Einheiten aufgebaut.

Die kleine Truppe von Stratcom weiß, dass sie einem Gegner mit gewaltigen Ressourcen gegenübers­teht. Aber die Sensibilit­ät sei in den westlichen Staaten gestiegen, sagt einer aus der Mannschaft: „Wir machen einfach weiter.“

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