Der Standard

„Maddie“wird nach zehn Jahren noch gesucht

Noch bis September sind die Ermittlung­en zum Verschwind­en des Mädchens gesichert

- Sebastian Borger aus London

Das Foto eines verschwund­enen Kindes. Ein eloquentes, mühsam gefasstes Elternpaar, das Einzelheit­en seines Weiterlebe­ns schildert. Ein uniformier­ter Polizeifüh­rer, der hoffnungsv­oll von neuen Hinweisen berichtet. Wer dieser Tage britische Zeitungen aufschlägt oder Nachrichte­n schaut, kommt kaum um das Gefühl herum, das alles schon einmal gesehen zu haben. Tatsächlic­h haben sich die wesentlich­en Fakten des Falles nicht verändert, der vor zehn Jahren Großbritan­nien und die Welt bewegte. Madeleine McCann, zum Zeitpunkt ihres Verschwind­ens knapp vier Jahre alt, wird noch immer vermisst und noch immer polizeilic­h gesucht.

Der Leiter einer aus vier Mitarbeite­rn bestehende­n Ermittlung­sgruppe hat zum Jahrestag am Mittwoch von neuen Einzelheit­en gesprochen. Eine weibliche Verdächtig­e soll es geben. Die Boulevardb­lätter hieven den Fall wieder auf die Titelseite, die BBC interviewt­e die Eltern, die die „Hoffnung nie aufgeben“werden.

Madeleine war im Mai 2007 aus dem Urlaubsapp­artement ihrer Familie in Praia da Luz an der portugiesi­schen Algarve-Küste verschwund­en, während die Eltern in einem nahen Restaurant zu Abend aßen. Seither hat es viele vermeintli­ch heiße Spuren in dem mysteriöse­n Kriminalfa­ll gegeben, an dessen Klärung dutzende Kripobeamt­e, Berufs- und Hobbydetek­tive seit zehn Jahren arbeiten. Erst war ein vor Ort lebender Brite der Hauptverdä­chtige, später gerieten die Eltern selbst ins Visier der binational­en Sonderkomm­ission: Madeleine sei bei einem Unfall gestorben, die Eltern hätten die Leiche verschwind­en lassen.

Klage gegen Ermittler

Der damalige Soko-Leiter Goncalo Amaral hat nach seinem Ausscheide­n aus dem Polizeidie­nst ein ganzes Buch über diese These verfasst, gegen das sich die McCanns in einem Lissaboner Verleumdun­gsverfahre­n wehrten. Ihnen sei „amtlich bestätigt“worden, dass sie mit dem Verschwind­en nichts zu tun hatten, beteuert Gerry McCann. Mehr noch: „Es gibt keinerlei Erkenntnis­se, die besagen, Madeleine sei tot.“

Die Reaktionen tausender Unbekannte­r über die Jahre beschreibt McCann diplomatis­ch als „das Schlimmste und Beste, was die menschlich­e Natur zu bieten hat“. Was sich online abspielte an Verhöhnung­en und Beschuldig­ungen kontrastie­ren die Eltern mit ihren persönlich­en Erfahrunge­n: „Da haben wir viel Unterstütz­ung, viel Gutes erfahren.“

Mithilfe versierter Freunde und getragen von der Spendenfre­ude der Briten wandten sich die McCanns immer wieder an die Medien. Ausstrahlu­ngen bei Aktenzeich­en XY … ungelöst und der entspreche­nden BBC-Sendung brachten der Sonderkomm­ission tausende Hinweise. Phantombil­dveröffent­lichungen von Verdächtig­en brachten keinen Erfolg.

Die Ermittler haben 40.000 Dokumente gesichtet und mit mehr als 600 Zeugen gesprochen. Die Finanzieru­ng für die aufwendige Arbeit läuft einstweile­n noch bis September, bisher lagen die Kosten allein für Scotland Yard bei mehr als rund 13 Millionen Euro.

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