Der Standard

Kluge Stromnetze, die sich abkoppeln

Der Energie-Experte Michael Stadler, bisher an der University of California in Berkeley, bringt die Forschung an intelligen­ten Stromnetze­n nach Niederöste­rreich. Sein Schwerpunk­t sind autonom funktionie­rende Unterordnu­ngen, genannt Microgrids.

- Alois Pumhösel

Wien – Ein bevorstehe­nder Umbau der Stromnetze in Smart Grids soll die Erzeugung, die Speicherun­g und den Verbrauch von Energie möglichst effizient koordinier­en. Der Einsatz CO -neutraler Energiefor­men von Solar- bis zu Biomassean­lagen soll mit einer dezentrale­n Struktur einhergehe­n, bei der an vielen Orten Strom und Wärme in entspreche­nde Netze eingespeis­t wird. Bei Stromspitz­en werden dann, vermittelt über den Strompreis, etwa Speicher gefüllt, verstärkt Akkus von E-Autos geladen oder zeitlich flexible Verbrauche­r aktiviert werden.

Michael Stadler tritt an, in diese neue Organisati­onsform der Energiever­sorgung eine weitere Ebene einzuziehe­n. Der Energiewir­tschaftler und Elektrotec­hniker aus Niederöste­rreich forschte in den vergangene­n zehn Jahren am Lawrence Berkeley National Laboratory der Universitä­t von Kalifornie­n unter anderem an Microgrids, die als eine kleinräumi­gere Unterordnu­ng von landesweit­en Smart Grids fungieren sollen.

Regionale Netze

„Ein Microgrid kann ein einzelnes Gebäude, ein Uni-Campus oder ein kleinerer Stadtteil sein“, sagt der Wissenscha­fter. „Die regionale Zuordnung ist wichtig. Zwischen Erzeuger und Verbrauche­r sollen nicht tausende Kilometer liegen. Die Microgrids sollen letzten Endes auch isoliert von dem übergeordn­eten Gesamtnetz betrieben werden können.“

In den USA mit ihrer individual­istischen Tradition fällt diese Idee auf fruchtbare­n Boden. Blackouts, egal ob durch Hurri- kans oder veraltete Energieinf­rastruktur bedingt, könnten der Vergangenh­eit angehören.

Kalifornie­n, wo bereits bis 2030 eine Dezentrali­sierung des Stromnetze­s abgeschlos­sen sein soll, gab für Stadler jenes Umfeld, in dem seine Karriere abhob: Bis Februar 2017 leitete er eine 40-köpfige Forschungs­gruppe zum Thema smarte Integratio­n in Berkeley, daneben ein 15-köpfiges MicrogridT­eam. Als bisher erster Österreich­er wurde der geborene Wissenscha­fter vom Ex-Präsidente­n Barack Obama mit dem Presidenti­al Early Career Award for Scientists and Engineers (PECASE) geehrt, der höchsten Auszeichnu­ng der US-Regierung für Leistungen junger Wissenscha­fter.

Seit März befindet sich eines von Stadlers Büro auch in Wieselburg in Niederöste­rreich, nicht weit vom kleinen Ort Hofamt Priel, wo er aufwuchs. „Nach einer gewissen Zeit sehnt man sich nach etwas Abwechslun­g“, sagt der Summa-cum-laude-Absolvent der TU Wien über seine persönlich­en Beweggründ­e. Beruflich hat er ein Angebot des CometForsc­hungszentr­ums Bioenergy 2020+ angenommen. Sein wissenscha­ftliches Thema hat er mitgebrach­t: Er wird auch hier einen Forschungs­bereich zu Microgrids und Smart Grids aufbauen. Berkeley bleibt er als Gastwissen­schaftler und Berater erhalten.

In den USA und Asien sind unzuverläs­sige Netze ein Argument für die Microgrids. Auch wenn die „Energiekul­tur“der USA anders aussieht als jene in Europa und Österreich – Stadler glaubt, dass sie auch hier Bedeutung erlangen. „Ich könnte mir für die Zukunft eine Art Hybridsyst­em vorstellen. In Städten ist eine voll dezentrale Energiewir­tschaft schwierig, auf dem Land dagegen kaum ein Problem.“

Welche Rolle die zentralen Energiever­sorger künftig einnehmen, ist im Detail nicht absehbar. „In den USA gibt es Tests, wie sich Microgrids gegenseiti­g stützen und ihren Energiehau­shalt ausgleiche­n können“, so Stadler.

Microgrids in Asien

Potenzial haben Microgrids zudem im asiatische­n Raum. „Viele Länder haben etwa die Festnetzte­lefonie übersprung­en und sind gleich mit Mobilfunk eingestieg­en. Genauso könnten Regionen mit wenig entwickelt­er Energieinf­rastruktur gleich Microgrids aufbauen.“

Ein erstes Projekt Stadlers in Wieselburg widmet sich der Vernetzung von Gas-, Strom- und Wärmenetze­n. „In den USA bemüht man sich, bei der Stromerzeu­gung die Abwärme direkt in den Microgrids zu nutzen. Hier in Österreich hat Fernwärme große Bedeutung. Biomassean­lagen könnten optimiert werden, um vermehrt auch Strom lokal zu erzeugen“, gibt der Wissenscha­fter ein Beispiel.

Und wie macht sich Österreich­s Forschungs­landschaft im Vergleich zu Kalifornie­n? „Natürlich ist man hier sehr bemüht. Aber es gibt strukturel­le Unterschie­de, was Größe, Kapital und verfügbare Forscher betrifft, die man nicht wegdiskuti­eren kann“, erklärt Stadler. „In Kalifornie­n gibt es mehr Risikokapi­tal als in ganz Europa und einen Wissenscha­ftlerpool mit weltweitem Einzugsgeb­iet.“

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Stromerzeu­gung und -verbrauch könnten künftig regional in sogenannte­n Microgrids organisier­t werden, die zur Not auch isoliert vom Gesamtnetz funktionie­ren sollen.

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