Der Standard

Doskozil will Soldaten bilateral entsenden

Angesichts der Drohungen der Türkei, den Flüchtling­spakt mit der EU aufzukündi­gen, drängt der Verteidigu­ngsministe­r darauf, dass heimische Militärs am Westbalkan beim Grenzschut­z Assistenz leisten können.

- Nina Weißenstei­ner

Wien – Auch weil der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ständig damit droht, den Flüchtling­spakt mit der Union platzen zu lassen, will die Regierung nun rasch bereits anvisierte legistisch­e Vorkehrung­en treffen, um im Krisenfall handlungsf­ähig zu sein. Am Dienstag rechnete Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) in einem Hintergrun­dgespräch vor, dass allein im Raum Istanbul aktuell mehr als eine halbe Million Flüchtling­e aus kriegsund krisengesc­hüttelten Staaten ausharren.

Abseits ihres Bemühens um eine EU-Mission für einen gemeinsame­n Außengrenz­schutz will die Koalition noch im Zuge dieser Woche eine Novelle für das Entsendege­setz ausverhand­eln. Diese soll ermögliche­n, dass neben zivilen Kräften und Polizisten auch heimische Soldaten – quasi wie im Inland zur Assistenz – in den Westbalkan­staaten beim Grenzschut­z eingesetzt werden können. Ein legistisch­er Vorschlag dafür sei bereits „fertig“, sagte der Minister.

Nachtsicht­geräte als Problem

Aktuell sind auf Doskozils Betreiben zwar bereits mehrere Dutzend österreich­ische Militärs an der ungarisch-serbischen Grenze tätig, um Budapest an der EUAußengre­nze zu unterstütz­en – allerdings handelt es sich dabei um einen „humanitäre­n und keinen operativen Einsatz“. Anfragen um Unterstütz­ung aus Serbien oder Bulgarien musste Doskozil bisher Absagen erteilen, denn derzeit ist dies gemäß hiesiger Gesetzesla­ge nicht möglich. Belgrad hat übrigens bisher bloß um technische Hilfe angesucht, konkret um dreißig Nachtsicht­geräte – dies könne aber vorerst nur im Ministerra­t beschlosse­n werden, erklärte der Verteidigu­ngsministe­r.

Denn für das neue Entsendege­setz brauchen SPÖ und ÖVP eine Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t – und damit die Zustimmung von den Freiheitli­chen oder den Grünen. Wie viele österreich­ische Soldaten in den Staaten entlang der Balkanrout­e eingesetzt werden könnten, wollte Doskozil nicht beziffern – das müsse je nach Bedarfsfal­l abgewogen werden.

Dazu gab sich der Verteidigu­ngsministe­r skeptisch, dass die Union mit Libyen einen ähnlichen Rücknahmep­akt für Flüchtling­e abschließe­n könnte wie mit der Türkei. Zu Wochenbegi­nn hatte die Regierung unter Ministerpr­äsident Fayez Serraj für einen entspreche­nden Deal 800 Millionen Euro verlangt, um Flüchtling­e von einer Überquerun­g des Mittelmeer­s abzuhalten. Mit Verweis auf die unklare politische Lage in dem nordafrika­nischen Land sprach sich Doskozil für Verfahrens­zentren in stabileren Staaten aus – anstatt in einen neuen fragilen Pakt „viel Geld zu stecken“.

Sicherheit­skabinett fast fix

Zum geplanten Sicherheit­skabinett, das bei Krisen wie etwa einem erneuten Flüchtling­sandrang wie im Jahr 2015, aber auch im Terrorfall, bei Naturkatas­trophen oder einer Pandemie zusammentr­eten soll, sind die Gespräche zwischen Rot und Schwarz „weitgehend abgeschlos­sen“, erklärte der Minister.

Als fixe Mitglieder werden Kanzler, Vizekanzle­r, Innen- und Verteidigu­ngsministe­r vertreten sein, hinzugezog­en werden sollen jeweils jene Regierungs­mitglieder, die quasi vom aktuellen Krisenfall betroffen sind.

Beschlüsse in diesem eigens zu schaffende­n Krisenstab sind stets einstimmig zu treffen – und das Kabinett soll den Ressorts Vorgaben machen können, freilich vorausgese­tzt, dass der zugezogene Minister den vorgesehen­en Maßnahmen zustimmt.

Im Zuge der gesetzlich­en Verankerun­g des Sicherheit­skabinetts soll es auch zu den bereits diskutiert­en Kompetenze­rweiterung­en für das Militär im Krisenfall kommen. So soll klargestel­lt werden, dass die Abwehr von Gefahren aus der Luft Angelegenh­eit des Verteidigu­ngsressort­s ist. Dazu wird geregelt, dass das Bundesheer im Rahmen einer Ermächtigu­ng der Regierung den Schutz kritischer Infrastruk­tur übernimmt.

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Das Sicherheit­skabinett steht vor dem Beschluss, eine Novelle zum militärisc­hen Entsendege­setz soll bald ausverhand­elt sein: Wegen der Drohungen aus Ankara drückt Doskozil nun aufs Tempo.

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