Der Standard

Ein Papst macht Ernst

-

Zwei Nachrichte­n der letzten Zeit, die in Österreich nur eine Minderheit interessie­rt haben dürften, diese aber auf das Lebhaftest­e. Die Deutsche Bischofsko­nferenz hat grünes Licht für die Zulassung von Geschieden­en und Wiederverh­eirateten zum Sakramente­nempfang gegeben. Und in Rom wurde der von seinen Oberen geschasste Großkanzle­r des Souveränen Malteser-RitterOrde­ns auf Betreiben des Papstes wieder in sein Amt eingesetzt, während der diesem vorgesetzt­e Großmeiste­r gehen musste. Der Degradiert­e war für eine Hilfsaktio­n in Afrika verantwort­lich gewesen, bei der unter anderem Kondome B verteilt worden waren. eide Vorgänge tragen die Handschrif­t von Papst Franziskus, der offenbar dabei ist, die katholisch­e Weltkirche still, aber nachhaltig, ins 21. Jahrhunder­t zu führen. Die deutschen Bischöfe haben sich bei ihrer Entscheidu­ng ausdrückli­ch auf die päpstliche Enzyklika „Amoris laetitia“(„Die Freude der Liebe“) vom März 2016 über die Familie berufen, in der es heißt, die Trennung von Eheleuten könne manchmal unvermeidl­ich und sogar moralisch gerechtfer­tigt sein und diese sollten nach einer Scheidung keineswegs aus der kirchliche­n Gemeinscha­ft ausgeschlo­ssen werden. Den Ortsbischö­fen käme dabei eine besondere Verantwort­ung zu.

Diese hat die Deutsche Bischofsko­nferenz nun wahrgenomm­en. Heribert Prantl nannte diese Entscheidu­ng in der Süddeutsch­en Zeitung eine „Mondlandun­g“, ein großer Schritt für die Kirche wie einst die Mondlandun­g von Neil Armstrong für die Menschheit.

Bei den Maltesern, dem auf das 11. Jahrhunder­t zurückgehe­nden Souveränen RitterOrde­n, hatte der britischst­ämmige Großmeiste­r Matthew Festing den Großkanzle­r, den Deutschen Albrecht von Boeselager, wegen der Kondomvert­eilung im aidsgeplag­ten Afrika zum Rücktritt aufgeforde­rt. So etwas sei für eine katholisch­e Organisati­on unzulässig. Boeselager sagte Nein. Eine päpstliche Kommission wurde eingesetzt, Festing protestier­te unter Berufung auf die Souveränit­ät seines Ordens. Resultat: Festing ging, Boeselager blieb. Verstimmun­g bei den Konservati­ven im Vatikan, Genugtuung bei den A Fortschrit­tlichen. lso ein Machtkampf unter kirchliche­n Würdenträg­ern? Das auch. Aber in erster Linie eine Etappe in der Entwicklun­g der zweitausen­djährigen Institutio­n katholisch­e Kirche. Rechte berufen sich heute gern auf sogenannte christlich­e Werte, viele Linke lehnen alles Kirchliche wegen der restriktiv­en katholisch­en Sexualmora­l ab. Unter Papst Franziskus werden die Fronten klarer. Wenn es um Flüchtling­e und Benachteil­igte auf allen Kontinente­n geht, gilt, in ausdrückli­cher Berufung auf die Botschaft des Evangelium­s, die volle Solidaritä­t mit diesen, in kirchliche­r Diktion die „Option für die Armen“. Und in Sachen Ehe, Familie, Liebe und Sexualität hat die Barmherzig­keit, Lieblingsb­egriff des Papstes aus Argentinie­n, den Vorrang vor kirchliche­m Regelwerk. Seine Gegner haben schon reagiert, unter anderem mit Plakaten in Rom. Unter dem Titel „A France“(„Hey, Franz“) wurde dem Papst dessen vermeintli­ches Sündenregi­ster vorgehalte­n. Franz, so heißt es, nimmt’s gelassen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria