Der Standard

Kerns SPÖ umwirbt Grüne und Neos

Noch ist der reguläre Wahltermin in weiter Ferne. Die SPÖ sucht schon jetzt nach Mehrheiten abseits von Rot-Schwarz. Mit den Grünen und Neos soll das gelingen – die beiden Parteien zieren sich noch.

- Nina Weißenstei­ner, Peter Mayr, Lisa Kogelnik

Wien – Angesichts anhaltende­r Neuwahlspe­kulationen gab SPÖBundesg­eschäftsfü­hrer Georg Niedermühl­bichler bei einem Hintergrun­dgespräch Einblicke in die Überlegung­en der roten Spindoktor­en. Immerhin hat Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern höchstpers­önlich im Jänner mit der Präsentati­on seines „Plan A“für das Land sowie mit seinem Ultimatum an die ÖVP, das rotschwarz­e Regierungs­programm in tagelangen Verhandlun­gen rundum zu erneuern, für entspreche­nde Gerüchte gesorgt. Die Vermutung, dass Kern wegen mangelnder Courage im letzten Moment doch vor einem vorzeitige­n Urnengang zurückschr­eckte, wies Niedermühl­bichler zurück.

Allerdings gab der SPÖ-Manager bei seinen rund einstündig­en Ausführung­en zu, dass die Kanzlerpar­tei im Zuge der planmäßige­n Nationalra­tswahl im Herbst 2018 eine „alternativ­e Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau“anstrebe – sein, Niedermühl­bichlers, erklärtes „Ziel“sei es daher, dass die SPÖ gemeinsam mit den Grünen und den Neos „eine Mehrheit“bekomme.

Eine Koalition mit der FPÖ von Heinz-Christian Strache dagegen wäre in den eigenen Reihen nach wie vor „sehr schwierig“durchzuset­zen, selbst wenn sich die Blauen bis dahin den roten Zielen inhaltlich anpassen würden. In parteiinte­rnen Umfragen habe man daher vorsichtsh­alber bis dato erst gar nicht abgetestet, ob das Wahlvolk für eine rot-blaue Koalition bereit wäre, denn man könne nie sicher sein, dass derartige Gedankenex­perimente nicht etwa ungewollt bei der einen oder anderen Zeitung landeten.

Der Optimismus des Bundesgesc­häftsführe­rs, dass Rot, Grün und Pink etwa in einem Jahr auf mehr als 50 Prozent kommen könnten, basiere jedoch sehr wohl auf gezielten Auswertung­en der Haltung diverser Fokusgrupp­en unter Anleitung von Kanzlerber­ater Tal Silberstei­n – und nicht zuletzt auch auf dem fast 54 Prozent starken Wahlsieg von Hofburg- Kandidat Alexander Van der Bellen, mittlerwei­le Bundespräs­ident, der aus seiner Skepsis hinsichtli­ch einer neuerliche­n Regierungs­beteiligun­g der FPÖ nie einen Hehl machte.

Bis ein Mitte-links-Bündnis rechnerisc­h möglich wäre, das „die Abhängigke­it“der SPÖ von der ÖVP beende, sei es allerdings noch ein langer Weg, räumte der SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r ein – und dass eine Neuauflage der Koalition „mit geläuterte­n Schwarzen“freilich auch weiterhin möglich sei. Nicht zuletzt deswegen tourt Kern samt SPÖ-Parlaments­klub – Auftakt war Dienstagab­end in Klagenfurt – aktuell durch die Bundesländ­er, um die Wahlberech­tigten von seinem „Plan A“und dem neuen Arbeitsübe­reinkommen der Regierung zu überzeugen.

Das erklärte Ziel der SPÖ-Strategen dahinter sei aber, Kern auch als wirtschaft­lich versierten „Macher“zu positionie­ren, der an seinem New Deal, seinen Verbesseru­ngen für Start-ups und seinem Verständni­s für die Kleinund Mittelbetr­iebe festhält, sowie als Regierungs­chef, der sich sehr wohl um das erhöhte Sicherheit­sbedürfnis seiner Landsleute sorgt und kümmert. Denn: Bei der Bekämpfung der Kriminalit­ät ließen die Glaubwürdi­gkeitswert­e der SPÖ noch zu wünschen übrig, obwohl sich Kern schon in seinem knapp 150-seitigen Konvolut für Österreich auch für mehr Polizei und Videoüberw­achung ausgesproc­hen habe, wie Niedermühl­bichler betonte. Bei der Migration und der Flüchtling­sproblemat­ik wolle man es nun wie der linke Innenminis­ter Caspar Einem (ebenfalls SPÖ) halten, der einst vorgab: „Integratio­n vor Neuzuzug“.

„Hart in der Sache“

Was sich die Genossen davon verspreche­n: Neben ÖVP-affinen Wählern vor allem ehemalige SPÖ-Wähler zurückzuge­winnen, die mittlerwei­le ihr Kreuz bei der FPÖ machen oder gar nicht mehr zu den Urnen streben. Dem Chef der Freiheitli­chen selbst wolle Kern weiterhin „konziliant im Umgang, aber hart in der Sache“entgegentr­eten, nicht zuletzt deswegen, um den Wählern zu zeigen, dass der Kanzler auch mit den Repräsenta­nten der FPÖ im Gespräch bleibe.

Die Sympathieb­ekundungen seitens der SPÖ nennt GrünenChef­in Eva Glawischni­g „eh nett“. Das allein sei aber zu wenig. Glawischni­g beklagt die „rote Substanzlo­sigkeit in der Sozialpoli­tik“und fordert im Gespräch mit dem STANDARD Nachbesser­ungen. Niedermühl­bichlers Avancen würden zeigen, dass die „SPÖ of- fenbar sich weniger mit Regieren und Arbeiten beschäftig­e, sondern mit Koalitione­n und Neuwahlen“. Man sei offen für Koalitions­varianten, aber: „Ich gehe sicher nicht in einen Lagerwahlk­ampf. Wir werden unsere eigenen Stärken betonen. Wir lassen uns nicht vereinnahm­en.“

Auch die Neos sind wenig begeistert. „Auf Zuruf machen wir als Bürgerinne­nbewegung weder den Steigbügel­halter noch die Gouvernant­e auf Abruf, damit SPÖ und ÖVP sich gegenseiti­g wieder einkriegen“, sagt Generalsek­retär Nick Donig. Für die Koalition sei es Zeit zu arbeiten oder Neuwahlen zu veranlasse­n. Bei den Themen Pensionen oder Steuern würden SPÖ und Neos jedenfalls Welten trennen.

Eine Rot-Grün-NeosRegier­ung wäre für FPÖGeneral­sekretär Herbert Kickl „extrem links mit großindust­riellem Einschlag“. Kerns „Plan A“sei kein „Arbeits-, sondern ein Absprungpr­ogramm“– mit einem strategisc­hen Ziel, sagt Kickl: „Machterhal­t um jeden Preis statt Arbeit für die Österreich­er.“

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SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Niedermühl­bichler und Parteichef Kern wollen FPÖ-Wähler zurückgewi­nnen.

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