Kerns SPÖ umwirbt Grüne und Neos
Noch ist der reguläre Wahltermin in weiter Ferne. Die SPÖ sucht schon jetzt nach Mehrheiten abseits von Rot-Schwarz. Mit den Grünen und Neos soll das gelingen – die beiden Parteien zieren sich noch.
Wien – Angesichts anhaltender Neuwahlspekulationen gab SPÖBundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler bei einem Hintergrundgespräch Einblicke in die Überlegungen der roten Spindoktoren. Immerhin hat Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern höchstpersönlich im Jänner mit der Präsentation seines „Plan A“für das Land sowie mit seinem Ultimatum an die ÖVP, das rotschwarze Regierungsprogramm in tagelangen Verhandlungen rundum zu erneuern, für entsprechende Gerüchte gesorgt. Die Vermutung, dass Kern wegen mangelnder Courage im letzten Moment doch vor einem vorzeitigen Urnengang zurückschreckte, wies Niedermühlbichler zurück.
Allerdings gab der SPÖ-Manager bei seinen rund einstündigen Ausführungen zu, dass die Kanzlerpartei im Zuge der planmäßigen Nationalratswahl im Herbst 2018 eine „alternative Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau“anstrebe – sein, Niedermühlbichlers, erklärtes „Ziel“sei es daher, dass die SPÖ gemeinsam mit den Grünen und den Neos „eine Mehrheit“bekomme.
Eine Koalition mit der FPÖ von Heinz-Christian Strache dagegen wäre in den eigenen Reihen nach wie vor „sehr schwierig“durchzusetzen, selbst wenn sich die Blauen bis dahin den roten Zielen inhaltlich anpassen würden. In parteiinternen Umfragen habe man daher vorsichtshalber bis dato erst gar nicht abgetestet, ob das Wahlvolk für eine rot-blaue Koalition bereit wäre, denn man könne nie sicher sein, dass derartige Gedankenexperimente nicht etwa ungewollt bei der einen oder anderen Zeitung landeten.
Der Optimismus des Bundesgeschäftsführers, dass Rot, Grün und Pink etwa in einem Jahr auf mehr als 50 Prozent kommen könnten, basiere jedoch sehr wohl auf gezielten Auswertungen der Haltung diverser Fokusgruppen unter Anleitung von Kanzlerberater Tal Silberstein – und nicht zuletzt auch auf dem fast 54 Prozent starken Wahlsieg von Hofburg- Kandidat Alexander Van der Bellen, mittlerweile Bundespräsident, der aus seiner Skepsis hinsichtlich einer neuerlichen Regierungsbeteiligung der FPÖ nie einen Hehl machte.
Bis ein Mitte-links-Bündnis rechnerisch möglich wäre, das „die Abhängigkeit“der SPÖ von der ÖVP beende, sei es allerdings noch ein langer Weg, räumte der SPÖ-Bundesgeschäftsführer ein – und dass eine Neuauflage der Koalition „mit geläuterten Schwarzen“freilich auch weiterhin möglich sei. Nicht zuletzt deswegen tourt Kern samt SPÖ-Parlamentsklub – Auftakt war Dienstagabend in Klagenfurt – aktuell durch die Bundesländer, um die Wahlberechtigten von seinem „Plan A“und dem neuen Arbeitsübereinkommen der Regierung zu überzeugen.
Das erklärte Ziel der SPÖ-Strategen dahinter sei aber, Kern auch als wirtschaftlich versierten „Macher“zu positionieren, der an seinem New Deal, seinen Verbesserungen für Start-ups und seinem Verständnis für die Kleinund Mittelbetriebe festhält, sowie als Regierungschef, der sich sehr wohl um das erhöhte Sicherheitsbedürfnis seiner Landsleute sorgt und kümmert. Denn: Bei der Bekämpfung der Kriminalität ließen die Glaubwürdigkeitswerte der SPÖ noch zu wünschen übrig, obwohl sich Kern schon in seinem knapp 150-seitigen Konvolut für Österreich auch für mehr Polizei und Videoüberwachung ausgesprochen habe, wie Niedermühlbichler betonte. Bei der Migration und der Flüchtlingsproblematik wolle man es nun wie der linke Innenminister Caspar Einem (ebenfalls SPÖ) halten, der einst vorgab: „Integration vor Neuzuzug“.
„Hart in der Sache“
Was sich die Genossen davon versprechen: Neben ÖVP-affinen Wählern vor allem ehemalige SPÖ-Wähler zurückzugewinnen, die mittlerweile ihr Kreuz bei der FPÖ machen oder gar nicht mehr zu den Urnen streben. Dem Chef der Freiheitlichen selbst wolle Kern weiterhin „konziliant im Umgang, aber hart in der Sache“entgegentreten, nicht zuletzt deswegen, um den Wählern zu zeigen, dass der Kanzler auch mit den Repräsentanten der FPÖ im Gespräch bleibe.
Die Sympathiebekundungen seitens der SPÖ nennt GrünenChefin Eva Glawischnig „eh nett“. Das allein sei aber zu wenig. Glawischnig beklagt die „rote Substanzlosigkeit in der Sozialpolitik“und fordert im Gespräch mit dem STANDARD Nachbesserungen. Niedermühlbichlers Avancen würden zeigen, dass die „SPÖ of- fenbar sich weniger mit Regieren und Arbeiten beschäftige, sondern mit Koalitionen und Neuwahlen“. Man sei offen für Koalitionsvarianten, aber: „Ich gehe sicher nicht in einen Lagerwahlkampf. Wir werden unsere eigenen Stärken betonen. Wir lassen uns nicht vereinnahmen.“
Auch die Neos sind wenig begeistert. „Auf Zuruf machen wir als Bürgerinnenbewegung weder den Steigbügelhalter noch die Gouvernante auf Abruf, damit SPÖ und ÖVP sich gegenseitig wieder einkriegen“, sagt Generalsekretär Nick Donig. Für die Koalition sei es Zeit zu arbeiten oder Neuwahlen zu veranlassen. Bei den Themen Pensionen oder Steuern würden SPÖ und Neos jedenfalls Welten trennen.
Eine Rot-Grün-NeosRegierung wäre für FPÖGeneralsekretär Herbert Kickl „extrem links mit großindustriellem Einschlag“. Kerns „Plan A“sei kein „Arbeits-, sondern ein Absprungprogramm“– mit einem strategischen Ziel, sagt Kickl: „Machterhalt um jeden Preis statt Arbeit für die Österreicher.“