LESERSTIMME
Betrifft: „‚Das Kreuz bleibt‘ wird nicht reichen“von Hans Rauscher
der Standard, 4./5. 2. 2017 Ihr Kommentar, dass es nicht reichen werde zu sagen „Das Kreuz bleibt“, beschreibt zutreffend die gesellschaftliche Realität. Es geht auch gar nicht darum, ob aufgrund des Konkordates bei mehrheitlich christlichen Schülern ein kleines Holzkreuz im Klassenzimmer hängt.
Es verblassen die christlichen Grundwerte der europäischen Kultur, und unsere Kinder werden nicht mehr ausreichend, darüber unterrichtet, warum eigentlich das moderne Europa Ergebnis von Christentum, griechischer Philosophie, römischem Staatsverständnis und Aufklärung ist.
Sie nennen die Bergpredigt und die religiöse Baukunst, aber was ist mit unserem Jahreskreis, den unsere Kultur prägenden Festen, mit den christlichen Orden, die sich der Krankenpflege und dem Unterricht verschrieben haben, mit dem republikanischen Staatsverständnis von Cicero, mit Aristoteles, ohne den die Entwicklung der Wissenschaften nicht möglich gewesen wäre, mit Aristophanes und Martial, den freien Spöttern abseits religiöser und gesellschaftlicher Konventionen und mit (in präzisem Latein schreibenden) Bahnbereitern der Aufklärung wie Christian Thomasius und Samuel Pufendorf?
Die Verbannung oder Einschränkung der Vermittlung dieses Wissens aus dem Unterricht ist Ergebnis jahrzehntelanger politischer und gesellschaftlicher Arbeit gegen die Fundamente des Bildungskanons. Sie ist Ergebnis der Denunziation von Altgriechisch als „Orchideenfach“, der Zurückdrängung des Lateinunterrichtes, ohne den die Bildung sprachlichen Ausdrucks schwierig ist, und ganz allgemein des sich immer mehr als Minderheitenprogramm verstehenden Religionsunterrichtes.
Mit der Gesamtschule wird dann das restliche Altgriechisch Geschichte sein und Latein vielleicht auf einen Freigegenstand reduziert werden. Die Folgen an bereits festzustellender sprachlicher Armut kennen Sie vielleicht auch aus Ihrer Redaktion.
Es wäre an der Zeit, umzudenken, bevor es zu spät ist. Es wäre an der Zeit, diese Fundamente wiederzubeleben und auch zu einer schulischen und gesellschaftlichen Befassung mit der Aufklärung und der Entwicklung unserer politischen Grundrechte zu verwenden. Und diese Grundrechte sind eben einmal ohne das aus der dargelegten Tradition gewonnene Verständnis vom Menschen, seiner Individualität und seinen Freiheitsrechten undenkbar. Michael Hule, per Mail