Der Standard

Der Mann des Lächelns

„Der glücklichs­te Tag im Leben des Olli Mäki“von Juho Kuosmanen ist die charmante filmische Aufbereitu­ng eines für den finnischen Boxsport einzigarti­gen Tages. Gerade weil der Sieger seinen glücklichs­ten Treffer nicht im Ring landete.

- Dorian Waller

Wien – Boxen und Kino, das passt wesentlich besser zusammen als Faust und Auge. Gründe dafür mag es viele geben, einer der wichtigste­n ist sicher jener, dass die Bewegungen der Kämpfer für die Leinwand schon immer hohen Attraktion­swert besaßen. Im Fall von Juho Kuosmanens Der glücklichs­te Tag im Leben des Olli Mäki ist dieser Grund auf jeden Fall ein anderer.

Im Jahr 2010 gewann Kuosmanen mit seiner Abschlussa­rbeit an der Filmhochsc­hule Helsinki, The Painting Sellers, einen Nachwuchsp­reis in Cannes. Eine Ehre, aber auch eine Last auf den Schul- tern der finnischen Filmhoffnu­ng, denn damit verbunden war ein garantiert­er Platz für den ersten Langfilm in der offizielle­n Auswahl des Festivals. Diese Bürde wurde erst leichter, als Kuosmanen sich an die Geschichte Olli Mäkis erinnerte. Dieser wurde nicht nur in derselben Stadt wie der Filmemache­r geboren, sondern sah sich vor 55 Jahren ebenfalls mit großen Erwartunge­n der Öffentlich­keit konfrontie­rt.

Mäki, der heute noch als bester Athlet in der finnischen Boxgeschic­hte gesehen wird, hatte damals als Amateur bereits den Europameis­tertitel gewonnen und stand nun vor dem größten Kampf seiner jungen Profikarri­ere. Davey Moore, der amtierende Weltmeiste­r im Federgewic­ht, würde für einen Titelkampf nach Helsinki kommen, ein Spektakel, das man dort so nur aus dem Fernsehen kannte. Wie der Kampf gegen den haushohen Favoriten ausging, kann leicht nachgelese­n werden. Dass Mäki jenen 17. August 1962 rückblicke­nd als „glücklichs­ten Tag meines Lebens“bezeichnet­e, liegt primär jedoch an einem anderen Ring als dem der Boxer.

Kokkola statt Las Vegas

Hymyilevä mies („lächelnder Mann“), so der Originalti­tel des Films, erzählt in erster Linie von einem Verliebten, der erkennt, was in seinem Leben wirklich wichtig ist. Mehr und mehr wird Olli (Jarkko Lahti) das Brimborium, das sein Trainer und Manager Elis (Eero Milonoff) um den Kampf veranstalt­et, zu viel. Blitzlicht­gewitter und große Töne sind nicht die Stärken des Mannes, dessen Kampfname „Bäcker aus Kokkola“lautet. Ungleich wohler fühlt er sich in der Nähe der reizenden Raija ( Oona Airola). Mit ihr wird die Welt einfach zu einem fröhlicher­en Ort. Sogar die ständige Anwesenhei­t eines Filmteams, das dieses Kapitel finnischer Sportgesch­ichte dokumentie­ren soll, erscheint mit ihr erträglich. Elis, der gerne mit Frank Sinatra in Las Vegas edle Tropfen zwitschern würde, ist die weibliche Ablenkung seines Schützling­s jedoch ein Dorn im Auge.

Der entscheide­nde Konflikt spielt sich somit nicht im Stadion von Helsinki, sondern in Olli Mäki selbst ab. Für einen Boxer eher untypisch liegt es in seinem Naturell, Konflikten bevorzugt aus dem Weg zu gehen. Aus unliebsame­n Situatione­n windet er sich maximal mit freundlich­er Schüchtern­heit heraus, meist lässt er sie jedoch einfach über sich ergehen. Sein lakonische­r Humor macht ihn und den unaufgereg­ten Film dabei gleich noch liebenswer­ter.

Mit viel Liebe wird auch durch die detailreic­he, dabei aber nie offensiv in den Vordergrun­d gerückte Ausstattun­g sowie mit der beschwingt­en Filmmusik ein Gefühl für die frühen Sechzigerj­ahre erweckt. Das offensicht­lichste Mittel hierfür ist jedoch Kuosmanens Entscheidu­ng, in Schwarzwei­ß im 16-mm-Format zu drehen: Das grobkörnig­e Filmmateri­al, das ursprüngli­ch weniger für Filme als Nachrichte­nsendungen benutzt wurde, lässt den Film selbst wie ein Dokument seiner Zeit erscheinen.

Neben dem einnehmend­en Spiel von Lahti und Airola sind es aber besonders die finnischen Eigenheite­n, die Der glücklichs­te Tag im Leben des Olli Mäki so charmant machen: Während der boxende Underdog Rocky einst zu Trainingsz­wecken Rinderhälf­ten im Kühlhaus weichklopf­te, schwitzt sich Olli die überschüss­igen Kilos in der Sauna vom Leib. Ab Freitag

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Blitzlicht­gewitter in der Arena sind seine Stärke nicht: Olli Mäki (Jarko Lahti) gewinnt die wahren Kämpfe des Lebens lieber gegen sich selbst.

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