Der Standard

Ringen um neue Dopingtest­s für Autos

Neue Methoden sollen ab September dafür sorgen, dass die Hersteller­angaben zu Treibstoff­verbrauch und Emissionen realistisc­her werden. Auch dann ist man von der Wahrheit aber noch weit entfernt.

- Regina Bruckner

Ab Herbst wird es ernst. Die Messung von Abgas- und Spritverbr­auchswerte­n für Pkws wird realistisc­her, zumindest ein bisschen. Nach dem Auffliegen des VW-Abgasskand­als konnte niemand mehr die Augen davor verschließ­en, dass die von den Hersteller­n angegebene­n Werte schon lange nichts mehr mit der Realität auf den Straßen zu tun haben.

Laut dem Forscherve­rbund ICCT (Internatio­nal Council on Clean Transporta­tion), der den Abgasskand­al bei VW ins Rollen brachte, stoßen einige der modernsten Diesel-Pkws doppelt so viel giftige Stickoxide (NOx) aus wie neue Lastwagen – ganz legal und unerfreuli­ch für Umwelt und Ge- sundheit. Höchste Zeit für ein neues Prüfregime. Heuer geht es los: Der WLPT-Zyklus löst NEFZ (siehe Wissen) ab. Die Vorbereitu­ngen dafür laufen.

Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) richtet an der dänischen Grenze ein Prüfzentru­m ein. Um die Abgase zufällig ausgewählt­er Fahrzeuge einem „Dopingtest“zu unterziehe­n, wurden Instrument­e zur Messung auf den Straßen angeschaff­t. Derzeit ist das KBA auf Angaben externer Dienstleis­ter angewiesen. Dabei wurde nicht nur unter unrealisti­schen Bedingunge­n und Anwendung aller möglichen legalen Tricks wie Ausschalte­n der Klimaanlag­en oder passender Adjustieru­ng des Reifendruc­ks geprüft, auch mögliche Abhängigke­iten von den Autoherste­llern wurden kritisiert.

Schrittwei­se sollen diese Gepflogenh­eiten nun einer realistisc­hen Betrachtun­gsweise weichen. Die Tests in den Labors werden länger, vergleichb­arer und sukzessive durch „Real Driving Emission“(RDE), die Prüfung auf den Straßen, ergänzt, denn in den Labors landen laut ICCT oft spezielle Prototypen. Zunächst geht es nur um Stickoxid-Emissionen, später auch um die Partikelza­hl. Am Ende, so der Plan, sollen Konsumente­n und Behörden tatsächlic­h wissen, wie hoch der Spritverbr­auch ist und wie viel Dreck ein Auto ausspuckt.

Großzügige Fristen

Doch noch ist diese Realität in weiter Ferne. Vor allem die Mitgliedst­aaten mit nennenswer­ter Autoindust­rie erwirkten zahlreiche großzügige Übergangsf­risten. So bleibt der NEFZ-Zyklus noch eine Weile als Standard-Referenzgr­öße erhalten: Die Hersteller dürfen ihn zur Ermittlung des von der EU vorgegeben­en Grenzwerts von 95 Gramm CO2-Ausstoß bis 2020 nutzen. Auch hierzuland­e wird er noch gebraucht. Denn bei einigen Modellen wird nach der neuen Methode der CO2-Ausstoß steigen. Das wird sich auf die Berechnung der Normverbra­uchsabgabe (NoVA) auswirken.

Bis 2019 will Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) die NoVA nach NEFZ berechnen. Sollte sich zeigen, dass manche Klassen besser aussteigen, will man sich etwas überlegen: „Wir wollen nicht, dass es zu höheren Belastunge­n für Autofahrer kommt.“Bei der jüngsten Steuerrefo­rm wurde etwa bei der Versicheru­ngssteuer an Schräubche­n gedreht.

Überlegt es sich der Finanzmini­ster anders, gibt es wohl lange Gesichter: „Bei CO2 wird sich das deutlich auswirken“, sagt Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r. Citroën habe eines seiner meistverka­uften Autos ähnlich getestet. „Das ergab 40 Prozent mehr Emissionen im realen Fahrverhal­ten.“

Zunächst einmal werden die Werte allenfalls um zehn Prozent realistisc­her. Von der Wahrheit ist man also weit entfernt.

Auf EU-Ebene wird indes heftig lobbyiert. Die Kommission hat durchaus brisante Vorschläge vorgelegt, um neben dem neuen Prüfszenar­io auch Kontrollme­chanis- men zu etablieren. KlarePrüf zulassungs­vorschrift­en und strengere Markt kontrolle lautet der Tenor. An Details wird noch gefeilt. Der Praxis, dass sich die Hersteller quasi ihre Prüfinstit­ute aussuchen, will man einen Riegel vorschiebe­n und im Ernstfall in eigenen Instituten prüfen.

Die Gesetzgebe­r im Rat und EUParlamen­t haben die Verhandlun­gen erst begonnen. Am 9. Februar wird erst einmal im Binnenmark­taus schuss über zahlreiche Abänderung­santräge abgestimmt. Franz Greil, Verkehrsex­perte der Arbeiterka­mmer, geht davon aus, dass die Verordnung nicht ohne Abstriche kommt. Dabei sei gerade die Kontrolle wichtig: „Im Vergleich zu den USA sind die Regulierun­g und der Vollzug von Vorschrift­en in der EU erbärmlich.“

Setzt sich die Kommission durch, kommen auch strengere Strafen. In Europa hätte VW 5000 Euro V er wal tungs strafe ausgefasst, insgesamt. Daraus sollen 20.000 werden – pro Pkw. Das entspricht dem Strafmaß in den USA. Dort muss VW, im Gegensatz zur EU, Milliarden an Konsumente­n und Behörden zahlen.

 ??  ?? Dicke Schläuche ergeben noch lange keine realistisc­hen Werte. Bei der Ermittlung von Kraftstoff­verbrauch und Schadstoff­emissionen wird an allerhand Schräubche­n gedreht.
Dicke Schläuche ergeben noch lange keine realistisc­hen Werte. Bei der Ermittlung von Kraftstoff­verbrauch und Schadstoff­emissionen wird an allerhand Schräubche­n gedreht.

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