Milliardengeschäft Basketball
Ein neuer TV-Vertrag überschwemmt die Basketballliga NBA mit Geld. Für einen Titel brauche es aber mehr als eine volle Vereinskassa, sagt Jeff Weltman, General Manager der Toronto Raptors – jenes Klubs, bei dem Jakob Pöltl unter Vertrag steht.
Das Air Canada Center in Toronto zwängt sich mitten in Downtown zwischen Wolkenkratzer, Luxusshoppingcenter und den Hauptbahnhof der Stadt. Es ist die Heimspielstätte der Toronto Raptors, Jakob Pöltls NBA-Klub. In den von der Klimaanlage eisgekühlten Katakomben des Glaspalastes kratzt sich Jeff Weltman an der Stirn. „Das Ziel ist, einen Titel zu gewinnen und dafür so wenig Geld wie möglich auszugeben“, sagt der General Manager der Raptors dem STANDARD.
Es ist eine höfliche Formulierung für das, was sich im amerikanischen Profisport abspielt. Besonders in der NBA. Dort herrscht Goldgräberstimmung. Die Liga verzeichnete in der vergangenen Saison Einnahmen von fünf Milliarden Dollar, sie begrüßte 22 Millionen Zuschauer, und sie knackte die Marke von einer Milliarde Likes in sozialen Medien. Die NBA ist ein globales Business geworden. Die Vereine geizen nicht – und das hat gute Gründe. Mit Beginn der Saison 2016/17 trat der neue TVVertrag mit dem Sender ESPN und Turner Sports in Kraft, welcher den Klubs bis 2024 jährlich 2,66 Milliarden Dollar in die Kassen spült. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Steigerung um 180 Prozent.
30 Teams machen Jagd auf den Titel. Und die Suche nach der Siegesformel wird immer schwieriger. Der Trend lautet: Ohne Topstars ist ein Titel nicht möglich. „Es gibt nur wenige Elitespieler, die aus der bereits breiten Konkurrenz herausragen. Darum versuchen alle Teams, diese Leute zu bekommen und schütten sie mit Geld zu“, sagt Weltman. Der 52Jährige, buntes Streifensakko, zurückgekämmte blonde Haare, steht gemeinsam mit Präsident Masai Ujiri beim Vorstand des Vereins in der Pflicht. Die Toronto Raptors gehören der Maple Leaf Sports & Entertainment Group, die eine Reihe von Immobilien besitzt und der größte Finanzdienstleister Kanadas ist.
„Wir haben gute Eigentümer, das ist extrem wichtig. Man hört uns zu, ist sehr geduldig und erfüllt uns wichtige Wünsche. Wir wollten etwa ein Farmteam und ein modernes Trainingszentrum. Beides haben wir bekommen, beides braucht man, um erfolgreich sein zu können.“
Höherer Salary-Cap
Den Mammon müssen alle NBA-Teambesitzer, unter ihnen auch Hedgefonds-Manager, Silicon-Valley-Softwarekönige und Oligarchen zum größten Teil mit ihren Spielern teilen. Denn im aktuellen Arbeitsvertrag wurde festgeschrieben, dass 50 Prozent der „basketballverwandten Einnahmen“an die Spieler ausgeschüttet werden müssen. Als Konsequenz wurde der Salary-Cap, die Gehaltsobergrenze, von 70 auf 94 Millionen Dollar erhöht. 2017 werden die Teams erstmals mehr als 100 Millionen für Spielergehälter ausgeben dürfen. Selbst Bankwärmer erhalten Pensionsverträge, auf der Tauschbörse geht es wild zu.
Bei den Raptors versucht man einen Mittelweg zu gehen. Trotz relativ hoher Spielergehälter (Platz zehn in der Liga) setzten die Kanadier auf Kontinuität. „Weil wir an unsere Spieler glauben. Wir wollen ihnen eine familiäre Atmosphäre bieten, sie längerfristig binden. Dafür brauchst du aber eine Philosophie und eine gute Verhandlungsstrategie.“
Die Kanadier haben ein ausgereiftes Scouting-System. Spielerbeobachter kümmern sich um die Liga, den Draft junger CollegeSpieler und um die größten Talente außerhalb Nordamerikas. Es gibt keine Nischen. „Wir treffen uns regelmäßig und tauschen uns über alle Spielermärkte aus, damit kein Tunnelblick entsteht. Am Ende wollen wir das bestmögliche Team zusammenstellen“, sagt Weltman.
Die Spieler sind wie Schachfiguren, die in Zahlen zerlegt werden. Und die Analysen werden immer ausgeklügelter. Selbst erweiterte Statistiken, die mit mathematischen Formeln die Effizienz eines Spielers berechnen, „sind längst Schnee von gestern“.
In allen NBA-Hallen hängen Kameras von der Decke, die in einem kartesischen Koordinatensystem (x und y) die Position der Spieler und die Höhe des Balls aufzeichnen. Das sind Millionen von Daten pro Spiel. Erfunden haben diese Bewegungsanalyse ursprünglich israelische Wissenschafter für die Armee. Sie sollte die Flugbahn von Raketen verfolgen. Die fußballbegeisterten Akademiker brachten die Technologie dann zuerst auf den Rasen und wenig später in die Hallen.
Die Spieler sind aber nach wie vor aus Fleisch und Blut. Einer von ihnen: der Wiener Jakob Pöltl, der seit heuer als erster Österreicher in der NBA spielt. Weltman: „Wir hätten Jakob nicht ausgewählt, wenn wir nicht an ihn glauben würden. Er hat das körperliche Talent und die mentale Stärke. Er lernt schnell und er weiß, dass man Rom nicht an einem Tag erbauen kann.“