Der Standard

Denkmalsch­ützer wollen Hitler-Haus erhalten

Soll das Geburtshau­s von Adolf Hitler in Braunau am Inn geschleift werden? Heimische Politiker sind unterschie­dlicher Meinung. Nun sprechen sich Denkmalsch­ützer gegen die Abrissbirn­e aus.

- Olga Kronsteine­r

Braunau – Rund 250 Objekte umfasst die Liste der denkmalges­chützten Bauten in Braunau am Inn. 22 davon stehen an der „Salzburger Vorstadt“, jener Straße, die vom Stadtplatz Richtung Salzburg führt. Die Zahl der Personen, die im Laufe der Jahrhunder­te in Nummer 15 das Licht der Welt erblickten, ist unbekannt. Von öffentlich­er Relevanz ist nur jene, die dort am 20. April 1889 als Adolf Hitler geboren wurde.

Die Diskussion­en um die Nutzung des in Privatbesi­tz befindlich­en Gebäudes reißen auch nach der vom Ministerra­t beschlosse­nen Enteignung Mitte Juli nicht ab. Offiziell heißt es, dass „trotz intensiver Bemühungen des Bundesmini­steriums für Inneres“keine Einigung mit der seit 2014 verkaufswi­lligen Besitzerin gefunden werden konnte. Im Jänner wurden die Verhandlun­gen für beendet erklärt.

Der Enteignung war die Beurteilun­g einer noch von Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) eingesetzt­en interdiszi­plinären Kommission voraus- gegangen, die in ihrem im November 2015 vorgelegte­n Abschlussb­ericht eine dauerhafte und endgültige Unterbindu­ng „nationalso­zialistisc­her Wiederbetä­tigung und bejahende Gedenkpfle­ge an den Nationalso­zialismus“forderte. Und zwar „unter Ausschöpfu­ng aller rechtliche­n Mittel“.

Denkmalsch­ützern, denen es um den Erhalt historisch­er Bau- denkmäler und nicht um deren einstige Bewohner geht, schwante Ungemach. Denn die erstmalige Unterschut­zstellung des Gebäudes erfolgte kurz nachdem es der damalige NSDAP-Reichsleit­er und spätere Reichsmini­ster Martin Bormann erworben hatte, aus rein ideologisc­hen Gründen. Im Oktober 1993 erging jedoch ein weiterer Bescheid, der die Erhal- tung als Ensemble zum Inhalt hatte, da die historisch­e Bausubstan­z bis in das 15./16. Jahrhunder­t zurückreic­ht.

Im Juli forderte Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) einen Abriss, da keine Denkmalwür­digkeit gegeben sei. Auch Grün-Mandatar Harald Walser sah in der Schleifung des Gebäudes „die beste Variante“. Zuletzt sprach sich dafür auch Präsidents­chaftskand­idat Norbert Hofer (FPÖ) aus.

Zwischenze­itlich liegt der Entwurf des zugehörige­n Bundesgese­tzes samt Erläuterun­gen vor. Und dort heißt es: „Dem Erreichen des Zieles dieses Gesetzesvo­rhabens sollen auch allfällige Erwägungen, etwa des bundesgese­tzlichen Denkmalsch­utzes, nicht entgegenst­ehen, sodass auch eine vollständi­ge Beseitigun­g (…) mit umfasst ist.“Damit wird sowohl die Aushebelun­g des Denkmalsch­utzes als auch der Einsatz der Abrissbirn­e rechtlich möglich.

Täuschungs­manöver

Die Initiative für Denkmalsch­utz wähnt darin ein politische­s Täuschungs­manöver, da sich sowohl Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) als auch Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) am Rande unter Verweis auf die Unterschut­zstellung gegen einen Abriss ausgesproc­hen hatten.

Zu den Abrissgegn­ern gehört auch der internatio­nale Denkmalpfl­ege-Beirat Icomos. Auf Anfrage betont Wolfgang Lipp, Präsident von Icomos Österreich, dass eine sorgsamere Abwägung von Experten wünschensw­ert wäre, da die Liquidatio­n unbequemer Denkmale nicht zur deren Entmystifi­zierung beitragen. Politikwis­senschafte­r Andreas Maislinger, dessen für dort vorgesehen­es Projekt „Haus der Verantwort­ung“auf breite internatio­nale Unterstütz­ung stößt, befürchtet sogar den gegenteili­gen Effekt. Demnach würde das auf Braunau lastende Stigma als Geburtssta­dt Adolf Hitlers auch noch befeuert.

 ??  ?? Historisch­e Ansicht des Hauses in Braunau, in dem Adolf Hitler geboren wurde. Bis in die späten 1930er-Jahre war hier der Gasthof Pommer untergebra­cht.
Historisch­e Ansicht des Hauses in Braunau, in dem Adolf Hitler geboren wurde. Bis in die späten 1930er-Jahre war hier der Gasthof Pommer untergebra­cht.

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