Kreml- Sieg über lethargische Opposition
Die Kreml-Partei Einiges Russland hat sich dank massiver Mobilisierung bei der Duma-Wahl die Zweidrittelmehrheit gesichert. Die Opposition ist zerstritten, die Unzufriedenen blieben diesmal zu Hause.
Premier Dmitri Medwedew wusste offenbar schon am Wahlabend mehr als alle anderen: Einiges Russland habe die absolute Mehrheit errungen, sagte er unmittelbar nach der Schließung der Wahllokale. Dabei hatten ExitPolls und erste Hochrechnungen die Partei noch unter der Marke von 50 Prozent gesehen. Am Ende reichte es für die Kremlpartei nicht nur zur einfachen, sondern – dank der Direktmandate – sogar zur Verfassungsmehrheit (also mehr als zwei Drittel der 450 Sitze) im Parlament.
Ein eindeutiger Sieg – und das, obwohl das Einige Russland gegenüber der letzten Duma-Wahl vier Millionen Stimmen verloren hat. Ein Paradox, das besser als alles andere die Schwäche der russischen Opposition verdeutlicht. Vor fünf Jahren hatte das Ergebnis noch zu Massendemonstrationen geführt. Wahlbeobachter sprachen von Manipulation, und Zehntausende gingen in Moskau auf die Straße. Diese Proteststimmung ist einer völligen politischen Lethargie gewichen.
Die Unzufriedenen sind diesmal einfach zu Hause geblieben – schon während der Abstimmung. Die Wahlbeteiligung fiel auf ein historisches Tief von 47 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2013 lag die Wahlbeteiligung bei 71,5 Prozent. Gerade in Moskau und St. Petersburg, wo die gebildete, aber großteils politisch frustrierte Mittelschicht, vom politischen Establishment in Moskau abwertend „Büro-Plankton“ genannt, die Basis für die Liberalen bildet, ging kaum jemand wählen. In den beiden Hauptstädten raffte sich nicht einmal jeder Dritte zur Abstimmung auf.
Zerstrittene Opposition
Schuld daran ist die Perspektivlosigkeit. Die Opposition hat sich als schwach und zerstritten erwiesen. Persönliche Egos waren ihren Führern oft wichtiger als gemeinsame Politik. Gleich sechs Parteien zielten auf das ohnehin begrenzte liberale Wählerkontingent. Mit gezielten Kampagnen haben die staatlichen Medien das Ihrige zur Diskreditierung der Liberalen beigetragen. Daher sagten Soziologen ihnen schon früh ein weiteres Scheitern voraus.
Der Kreml hingegen mobilisierte seine Wähler mit gewohnter Effizienz. Natürlich trug die hohe Beteiligung in Gefängnissen und psychiatrischen Kliniken (um die 90 Prozent), bei Soldaten und anderen Uniformierten, die zur Abstimmung gekarrt wurden, oder bei Beamten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, die zur Stimmabgabe gedrängt wurden, zum guten Ergebnis von Einiges Russland bei.
Mehr noch aber konnte sich der Kreml auf die konservative Mehrheit – auf dem Land, in den Kleinstädten und in den islamisch geprägten Teilrepubliken – verlassen, die geschreckt von den Bildern aus der Ukraine sich trotz wirtschaftlicher und sozialer Unzufriedenheit am einzigen „Garanten der Stabilität“festhielt: Wladimir Putin. Der Kremlchef machte unumwunden Wahlkampf für Einiges Russland, obwohl er den Parteivorsitz vor Jahren abgab, um sich als überparteilicher Präsident zu gerieren.
Die in den letzten Jahren vom Kreml und den Medien betriebene Schärfung eines äußeren Feindbilds kam im Wahlkampf nur einer Partei außer Einiges Russland zugute: der nationalistischen LDPR um Wladimir Schirinowski, der mit seiner Großmachtrhetorik und Drohungen, im Falle eines Kriegs Polen und das Baltikum dem Erdboden gleich zu machen und in Berlin oder Paris einzumarschieren, vor allem bei den Wählern punkten konnte, die sich vom Westen gedemütigt fühlen.
Für den Kreml ist der mit dem Sieg verbundene weitere Rechtsschwenk unproblematisch: Die Duma bleibt weiterhin ein Taschenparlament ohne reale Gestaltungsmacht oder auch nur den Willen dazu. An eine politische Linie ist der Kreml damit nicht gebunden.