Der Standard

Kreml- Sieg über lethargisc­he Opposition

Die Kreml-Partei Einiges Russland hat sich dank massiver Mobilisier­ung bei der Duma-Wahl die Zweidritte­lmehrheit gesichert. Die Opposition ist zerstritte­n, die Unzufriede­nen blieben diesmal zu Hause.

- André Ballin aus Moskau

Premier Dmitri Medwedew wusste offenbar schon am Wahlabend mehr als alle anderen: Einiges Russland habe die absolute Mehrheit errungen, sagte er unmittelba­r nach der Schließung der Wahllokale. Dabei hatten ExitPolls und erste Hochrechnu­ngen die Partei noch unter der Marke von 50 Prozent gesehen. Am Ende reichte es für die Kremlparte­i nicht nur zur einfachen, sondern – dank der Direktmand­ate – sogar zur Verfassung­smehrheit (also mehr als zwei Drittel der 450 Sitze) im Parlament.

Ein eindeutige­r Sieg – und das, obwohl das Einige Russland gegenüber der letzten Duma-Wahl vier Millionen Stimmen verloren hat. Ein Paradox, das besser als alles andere die Schwäche der russischen Opposition verdeutlic­ht. Vor fünf Jahren hatte das Ergebnis noch zu Massendemo­nstratione­n geführt. Wahlbeobac­hter sprachen von Manipulati­on, und Zehntausen­de gingen in Moskau auf die Straße. Diese Proteststi­mmung ist einer völligen politische­n Lethargie gewichen.

Die Unzufriede­nen sind diesmal einfach zu Hause geblieben – schon während der Abstimmung. Die Wahlbeteil­igung fiel auf ein historisch­es Tief von 47 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestags­wahl 2013 lag die Wahlbeteil­igung bei 71,5 Prozent. Gerade in Moskau und St. Petersburg, wo die gebildete, aber großteils politisch frustriert­e Mittelschi­cht, vom politische­n Establishm­ent in Moskau abwertend „Büro-Plankton“ genannt, die Basis für die Liberalen bildet, ging kaum jemand wählen. In den beiden Hauptstädt­en raffte sich nicht einmal jeder Dritte zur Abstimmung auf.

Zerstritte­ne Opposition

Schuld daran ist die Perspektiv­losigkeit. Die Opposition hat sich als schwach und zerstritte­n erwiesen. Persönlich­e Egos waren ihren Führern oft wichtiger als gemeinsame Politik. Gleich sechs Parteien zielten auf das ohnehin begrenzte liberale Wählerkont­ingent. Mit gezielten Kampagnen haben die staatliche­n Medien das Ihrige zur Diskrediti­erung der Liberalen beigetrage­n. Daher sagten Soziologen ihnen schon früh ein weiteres Scheitern voraus.

Der Kreml hingegen mobilisier­te seine Wähler mit gewohnter Effizienz. Natürlich trug die hohe Beteiligun­g in Gefängniss­en und psychiatri­schen Kliniken (um die 90 Prozent), bei Soldaten und anderen Uniformier­ten, die zur Abstimmung gekarrt wurden, oder bei Beamten und Mitarbeite­rn des öffentlich­en Dienstes, die zur Stimmabgab­e gedrängt wurden, zum guten Ergebnis von Einiges Russland bei.

Mehr noch aber konnte sich der Kreml auf die konservati­ve Mehrheit – auf dem Land, in den Kleinstädt­en und in den islamisch geprägten Teilrepubl­iken – verlassen, die geschreckt von den Bildern aus der Ukraine sich trotz wirtschaft­licher und sozialer Unzufriede­nheit am einzigen „Garanten der Stabilität“festhielt: Wladimir Putin. Der Kremlchef machte unumwunden Wahlkampf für Einiges Russland, obwohl er den Parteivors­itz vor Jahren abgab, um sich als überpartei­licher Präsident zu gerieren.

Die in den letzten Jahren vom Kreml und den Medien betriebene Schärfung eines äußeren Feindbilds kam im Wahlkampf nur einer Partei außer Einiges Russland zugute: der nationalis­tischen LDPR um Wladimir Schirinows­ki, der mit seiner Großmachtr­hetorik und Drohungen, im Falle eines Kriegs Polen und das Baltikum dem Erdboden gleich zu machen und in Berlin oder Paris einzumarsc­hieren, vor allem bei den Wählern punkten konnte, die sich vom Westen gedemütigt fühlen.

Für den Kreml ist der mit dem Sieg verbundene weitere Rechtsschw­enk unproblema­tisch: Die Duma bleibt weiterhin ein Taschenpar­lament ohne reale Gestaltung­smacht oder auch nur den Willen dazu. An eine politische Linie ist der Kreml damit nicht gebunden.

 ??  ?? Premier Medwedew (Mitte) wusste es bereits vor Schließung der Wahllokale: Einiges Russland fuhr bei den Wahlen am Sonntag einen eindeutige­n Sieg ein. Auch Präsident Putin (rechts) hatte wahlgekämp­ft.
Premier Medwedew (Mitte) wusste es bereits vor Schließung der Wahllokale: Einiges Russland fuhr bei den Wahlen am Sonntag einen eindeutige­n Sieg ein. Auch Präsident Putin (rechts) hatte wahlgekämp­ft.

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