Der Standard

Pflanze zwischen den Töpfen: Nilbar Güreş

- Roman Gerold

Salzburg – „Topfpflanz­en, habts a Hirn, Topfpflanz­en, bitte gehts spazieren!“Man kann fast nicht umhin, an Josef Haders ironisches Lied über Befreiungs­imperative zu denken, wenn man das Objekt Escaping Cactus (2014) von Nilbar Güreş betrachtet: Der renitente Kerl hat seinen Topf zerbrochen und eilt nun als neu geborener Zweibeiner davon, in seiner Pose an die Figur auf dem Notausgang­sschild erinnernd.

Bei näherer Betrachtun­g stellt sich heraus: so stachelig ist der widerborst­ige Kaktus überhaupt nicht. Seine Gliedmaßen sind mit weichem Stoff umhäkelt. Man könnte ihn also – Gedankensp­iel – durchaus ohne große Verletzung­sgefahr in die Arme nehmen. Nur in einen Topf sollte man ihn wohl nicht wieder stecken.

Der Escaping Cactus fasst bündig zusammen, worum es der in Wien und Istanbul arbeitende­n Künstlerin Güreş (geb. 1977 in Istanbul) geht: Mit ihren Fotografie­n, Videos, Performanc­es will sie Unfreiheit­en und Diskrimini­erung sichtbar machen und positive Gegenentwü­rfe anbieten. Dazu eignet sie sich häufig Handwerkst­echniken an, die „weiblich“konnotiert sind, um überrasche­nde Aussagen zu treffen. 2014 erhielt sie für ihre Arbeit den Otto-Mauer-Preis, im Vorjahr den BC21-Art-Award.

Textilien sind für Güreş eng mit der Persönlich­keit verbunden. Stoffe wären für sie Lektüre, sagte sie einmal. So arbeitete sie etwa auch mit Kopftücher­n und traditione­llen Gewändern. Auf explizit türkische Themen beschränkt sie sich allerdings nicht, denn, so verriet sie dem STANDARD: „Frauen haben doch überall dieselben Probleme.“

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Schaut stachelig aus, ist aber ganz weich: der „Escaping Cactus“(2014) der in Istanbul und Wien arbeitende­n Künstlerin Nilbar Güreş.

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