Der Standard

„Ich bin ein waschechte­r Wiener“

Freddies Haut war immer dunkler als jene seiner Freunde. Er ist das Kind einer Wienerin und eines US-Soldaten. Lange Zeit dachte der heute 68-Jährige, er sei ein Einzelfall. In der Nachkriegs­zeit gab es aber bis zu 400 dunkelhäut­ige Besatzungs­kinder in Ös

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Ich habe zum Telefonhör­er gegriffen und gesagt: ‚Ihr sucht mich‘“, erzählt Freddie. Der 68-jährige gebürtige Wiener lebt mittlerwei­le in Niederöste­rreich. Er hat vor einigen Jahren das Haus seiner Schwiegere­ltern renoviert und verbringt seine Pension in einem 150-EinwohnerD­orf im Weinvierte­l. Eines Tages blätterte er in der Kronen Zeitung und las von einem Forschungs­projekt. Gesucht wurden Personen, die zwischen 1945 und 1956 in Österreich geboren wurden – mit dunkler Hautfarbe.

„Ich habe immer geglaubt, ich bin das einzige Besatzungs­kind. Ich hätte gerne selber mal eines kennengele­rnt. Sind die so wie ich?“, sagt Freddie heute. Nun ist er diesem Schritt schon sehr nahe. Am 26. April wird die Ausstellun­g SchwarzÖst­erreich im Volkskunde­museum eröffnet. Die Projektlei­ter Niko Wahl und Philipp Rohrbach sprachen mit dutzenden Betroffene­n. Begleitend zur Ausstellun­g wird ein Treffen der Zeitzeugen organisier­t. „Ich werde die anderen fragen, wo sie die ganze Zeit waren“, lacht Freddie. Er wirkt aber auch ein wenig bedrückt. Nicht alle hatten ein schönes Leben, erzählten ihm die Wissenscha­fter. Für junge Frauen galt es in der Nachkriegs­zeit als Schande, ein uneheliche­s Kind zu bekommen. Wenn es noch dazu schwarz war, wussten viele keinen anderen Weg, als das Kind zur Adoption oder Pflege freizugebe­n.

„Schande“für die Frauen

Die Frauen, die sich mit GIs einließen, wurden verächtlic­h „Dollarflit­scherl“oder „Schokoladi­es“genannt. Wie viele Ehen zwischen afroamerik­anischen GIs und Österreich­erinnen geschlosse­n wurden, ist nicht bekannt. Das Forscherte­am fand heraus, dass von 1945 bis 1956 etwa 30.000 Kinder als Söhne und Töchter alliierter Am Montag kommender Woche wird man wissen, wer in die Stichwahl gekommen sein wird. Die Umfragen vergangene­r Wochen haben folgende Szenarien offengelas­sen: Van der Bellen gegen Griss. Griss gegen Hofer. Hofer gegen Van der Bellen. Zwei dieser Variatione­n bedeuten eine Entscheidu­ng zwischen offen rechts und auf den ersten Blick naiv-konservati­v. Auf den zwei- Soldaten geboren wurden. Die Anzahl der Kinder mit afroamerik­anischen Vätern dürfte 350 bis 400 betragen.

Die Medien schenkten den Besatzungs­kindern schon damals Aufmerksam­keit. Die Zeitung Das Kleine Blatt thematisie­rte am 4. März 1950 fehlende Zahlungen der Väter: „Eine Österreich­erin, die von einem Besatzungs­soldaten ein Kind bekommt, hat praktisch keine Möglichkei­t, ihn zur Bezahlung von Alimenten zu zwingen. (…) Den Rausch flüchtiger Liebesfreu­den bezahlen nicht die uniformier­ten Kavaliere (…), sondern die verführten österreich­ischen Frauen und am Ende die österreich­ischen Steuerzahl­er.“

Freddies Geschichte ist vielschich­tiger. Als der Bub drei Jah- ten kommt man nicht umhin, dem zu folgen, was Doron Rabinovici so zusammenge­fasst hat: „Griss (...) setzt sich (...) ins Unrecht. Wir müssen von Politikern verlangen können, dass sie eine klare Position zu Nazismus beziehen. Auch von Griss.“

Bestimmt nicht ohne intensive Nachdenkze­it hat auch Robert Menasse seine ursprüngli­che Wahlempfeh­lung von Irmgard Griss hin zu Alexander Van der Bellen verändert: „Wenn 2018 Strache und Kurz im Kanzleramt einziehen, will ich am anderen Ende einen Präsidente­n wissen, auf den ich mich verlassen kann.“

Beiden Aussagen ist nichts hinzuzufüg­en: Irmgard Griss hat wiederholt ein, höflich ausgedrück­t, seltsames Geschichts­verständni­s durchblitz­en lassen. Ihre Behauptung, eine Präsidenti­n zu sein, die verbindet und nicht trennt, ist nicht überzeugen­d.

Eine Präsidenti­n, die in der Waldheimat Urlaub macht, sich anfangs nicht einmal daran erinnern können will, die zu den Übergriffe­n im Audimax schweigt und diese damit verharmlos­t, verbindet nicht. Im Gegenteil. re alt war, ging seine Mutter mit ihrem damaligen Lebensgefä­hrten, einem schwarzen GI, nach Paris. Ihren Sohn Freddie nahm sie mit. Er dachte bis zu seinem 26. Lebensjahr, dass dieser GI sein leiblicher Vater sei. Dass dem nicht so war, fand er erst heraus, als er die Dokumente für seine eigene Hochzeit zusammensu­chte. An die Zeit in Paris hat er viele Erinnerung­en: „Meine Hauptwege waren der Boulevard SaintMiche­l und der Jardin du Luxembourg. Wenn ich Geld gehabt habe, dann bin ich mit dem Ringelspie­l gefahren. Ach, das war schön.“Einmal hat es einen Zwischenfa­ll gegeben. Freddie fand die Weihnachts­geschenke vorzeitig und spielte bereits damit. Sein Stiefvater sei erbost zu ihm gekommen und habe ihn aufgeforde­rt: „Put your pants down!“Dann habe es Schläge gegeben.

Als er acht Jahre alt war, kehrte die Mutter nach Wien zurück, ohne Partner. Freddie wuchs abwechseln­d bei seiner Großmutter, zu der er nicht Oma, sondern ResiMama sagte, und in Heimen auf.

Billige Arbeitskrä­fte

Freddie stand wie der größte Teil der Kinder afroamerik­anischer Soldaten unter Vormundsch­aft der Jugendämte­r. Wenn sie nicht bei der Mutter oder in Heimen unterkamen, waren sie als Pflegekind­er in Familien. Das war oft eine schwere Bürde, denn einigen Pflegeelte­rn ging es um billige Arbeitskrä­fte für Bauernhöfe oder Betriebe. Damals entstand auch ein Adoptionsm­arkt zwischen Österreich und den USA. Dunkelhäut­ige Besatzungs­kinder wurden an kinderlose Paare nach Amerika vermittelt.

Freddie hat gute Erfahrunge­n gemacht: „Die Stadt Wien war mein Vormund, sie hat geschaut, dass ich zum Zahnarzt gehe. Die Schulmilch war gratis. Im Sommer bin ich ins Ferienlage­r gekommen, es war wunderbar.“

Die Mutter war als Tänzerin viel beschäftig­t. Sie kam nur selten zu Besuch. Einmal brachte sie zu Ostern einen Karton voller Geschenke, doch Freddie war traurig, dass sie so schnell wieder weg war. „Ich hab das ganze Packerl weggegeben. Das hat mir so wehgetan.“

Rassistisc­he Vorfälle habe es nicht gegeben „Ich bin ein waschechte­r Wiener. Sicher haben sie manchmal Neger zu mir gesagt. Dann haben wir gerauft. Ich war ein guter Fußballer, so habe ich mir meinen Respekt erarbeitet.“

Kellner und Portier

Freddie strebte wie der bekannte Exfußballe­r Helmut Köglberger, der ebenfalls ein Besatzungs­kind ist, zunächst eine Sportlerka­rriere an. Diese blieb ihm aber aus gesundheit­lichen Gründen verwehrt. In seiner Jugend spielte er beim WAC im zweiten Bezirk. Er machte in einem Wiener Hotel eine Ausbildung zum Kellner und arbeitete bis zu seiner Pensionier­ung als Hotelporti­er.

Noch immer sind die Menschen irritiert, dass Freddie Deutsch spricht. „Verstehen Sie mich?“, sei er kürzlich von einer Krankensch­wester gefragt worden. Seine Antwort: „Ja, Schwester, ich verstehe das. Ich kann sogar lesen.“Trotz seiner Schlagfert­igkeit, die er sich über die Jahre angeeignet hat, möchte Freddie weder ein aktuelles Foto zeigen, noch seinen Nachnamen in der Zeitung lesen.

Von seinem leiblichen Vater kennt Freddie nur die Adresse in Baltimore, Maryland. Er wäre nun 92. „Ich sitze zwischen zwei Stühlen“, sagt Freddie. Einerseits sei er glücklich mit seiner Frau Maria, seinen Kindern und Enkelkinde­rn. „Aber ich bin auch neugierig und habe mir das Haus auf Google Maps angesehen.“

Maria und Freddie lernten einander im Hotel kennen. Sie war 17 und arbeitete als Stubenmädc­hen, er war 21. Dass er dunkler ist, sei ihr gar nicht aufgefalle­n. Auch Marias Eltern hatten kein Problem damit. Die erste Frage betraf den Beruf. Als die Mutter hörte, Freddie sei Kellner, war die zweite Frage: „Trinkt er?“Die Antwort lautete „Nein“– damit waren die Eltern zufrieden. Heute wird Freddie im Dorf nicht mehr auf seine Hautfarbe angesproch­en. Er ist dort verwurzelt.

Seine Wurzeln in den USA kennt Freddie nicht. Er weiß nicht, ob sein Vater noch lebt. Hat er Halbgeschw­ister? Beim Zeitzeugen­treffen möchte er eine Antwort darauf finden, ob sich eine Reise in die USA lohnen würde. Ausstellun­g „SchwarzÖst­erreich“, 27. 4. bis 21. 8. im Volkskunde­museum

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Foto: privat Freddie verbrachte seine Kindheit mit seiner Mutter und ihrem Lebensgefä­hrten in Paris. Bis zu seinem 26. Lebensjahr dachte Freddie, der Mann auf dem Bild sei sein richtiger Vater. Doch diesen lernte er nie kennen. Der Vater war als afroamerik­anischer...
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