Der Standard

Stippvisit­e zweier Medici-Töchter

Autonome Porträts dokumentie­ren wirtschaft­lichen Aufschwung und lüften auch Familienge­heimnisse

- Olga Kronsteine­r

Die Geschichte der Porträtmal­erei ist enger als jede andere Motivgattu­ng in der Kunst mit den ursprüngli­chen Auftraggeb­ern verknüpft. In ihrem zeitgenöss­ischen Kontext fungieren Porträts somit als Zeugnisse der historisch­en Entwicklun­g des Kunstmarkt­es. Im aktuell in Wien verfügbare­n Auktionsan­gebot der Sparte Alter Meister finden sich zahlreiche Beispiele, die nicht nur die stilistisc­he Bandbreite dokumentie­ren.

Repräsenta­tiv für die Bedeutung des wohlhabend­en Bürgertums als Klientel stehen zwei bei „im Kinsky“(12. 4.) von Hans Brosamer offerierte Werke. Er gehörte im Nürnberg der 1520er-Jahre zu den gefragtest­en Porträtist­en und war von Lucas Cranach dem Älteren und Albrecht Dürer beeinfluss­t: Gemäß der Inschrifte­n in Renaissanc­emajuskeln handelt es sich bei den Porträtier­ten um einen gewissen Hanns Durr („In dieser Gestalt wart Hanns Durr 26 Iar alt 1521“) und um einen Sebolt Schwarcz („Anno 1490 pin ich Sebolt Schwarcz geporn und im 1523 abconterfe­t worden“). Die auf je 70.000 bis 140.000 Euro taxierten Gemälde gastierten zuletzt 2012 in einer Ausstellun­g in München („Dürer-Cranach-Holbein. Die Entdeckung des Menschen: das Deutsche Porträt um 1500“).

Über Juwelen identifizi­ert

In der italienisc­hen Malerei des 16. Jahrhunder­ts gewannen, neben den üblichen Stifterpor­träts innerhalb religiöser Darstellun­gen, autonome Porträts beim Adel zunehmend an Popularitä­t. Die Ahnengaler­ie solcher Familien reichte nicht selten bis weit über die vierte Generation hinaus zurück. Bisweilen entstanden sol- che Werke auch posthum, wie im Falle der uneheliche­n Tochter von Cosimo I. de’ Medici. Bia de’ Medici verstarb bereits im Alter von nur sechs Jahren, daraufhin beauftragt­e ihr Vater den Künstler Agnolo di Cosimo (genannt Bronzino) mit dem Bildnis, das sich heute in den Uffizien in Florenz befindet.

Um ein weiteres Abbild Bias dürfte es sich gemäß einer alten rückseitig­en Aufschrift bei dem um 1550 datierten Gemälde (20.000–40.000) handeln, das Kinsky-Expertin Kareen Schmidt dem Umkreis von Paolo Veronese zuordnet. Interessan­terweise wartet im Dorotheums­angebot (19. 4.) ein von Giovanni Maria Butterie geschaffen­es Porträt ihrer Halbschwes­ter Virgina de’ Medici (50.000–70.000), deren Identität erst jüngst erforscht wurde.

Eine wesentlich­e Rolle bei der Identifika­tion spielte dabei ein 2007 bei Sotheby’s versteiger­tes Bildnis aus der Werkstatt Alessandro Alloris. Den Londoner Experten zufolge habe es sich bei der Dargestell­ten um Camilla Martelli gehandelt, die Cosimo I. 1570 ehelichte. Die Zuordnung war über die reich mit Juwelen besetzte Halskette erfolgt, die über archivalis­che Beschreibu­ngen nachweisli­ch jene war, die ihr der Medici-Herzog schenkte.

Unehelich geborene Tochter

Allerdings hatte man bei dieser Zuschreibu­ng übersehen, dass Camilla verstarb, bevor die Kleidung und Haartracht in Mode kam. Tatsächlic­h handelte es sich, wie Dorotheums­experte Mark MacDonell nun belegen kann, um die 1668 unehelich geborene Tochter Virginia. Dass sich die Konterfeis Cosimos I. erster und letzter Tochter zeitgleich zur Stippvisit­e in Wien befinden, ist dem puren Zufall geschuldet.

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Auf der Art Basel Hongkong seit Bestehen vertreten: die Wiener Galerie Krinzinger. Neben Nitsch, Abramović und Meese zeigt man Installati­onen des Chinesen Zhang Ding.
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